Militärstrategie:So wappnet sich die Nato gegen Russland

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Litauischer Soldat beim Nato-Manöver "Saber Strike" (Foto: AFP)

Angesichts der Ukraine-Krise fordern die Nato-Staaten im Osten mehr Schutz vor Russland. Massive Truppenstationierungen sind keine Option. Deshalb will das Militärbündnis nun seine Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen.

Von Markus C. Schulte von Drach

  • Die Nato will auf dem kommenden Gipfel in Wales auf Russlands Vorgehen in der Ukraine reagieren.
  • Um auf Angriffe besser vorbereitet zu sein, sollen in Polen, Rumänien und den drei baltischen Nato-Mitgliedern neue Militärbasen eingerichtet werden.
  • Das Militärbündnis plant eine Eingreiftruppe, die als "Speerspitze" besonders schnell einsatzfähig sein soll.

Auf dem Nato-Gipfel in Wales am 4. und 5. September werden die Vertreter der Mitgliedsländer vor allem darüber diskutieren, welche Lehren aus der Ukraine-Krise zu ziehen sind. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Wie kann das Bündnis militärisch auf das Vorgehen Moskaus reagieren?

Insbesondere die Bündnispartner Polen und Rumänien sowie die drei baltischen Staaten fühlen sich von Putins Expansionspolitik bedroht. Sie wünschen sich ausdrücklich eine größere Präsenz von Nato-Truppen innerhalb ihrer Grenzen. Das aber, so sagte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihres Besuches jüngst in Lettland, werde es nicht geben.

Schließlich würde dies gegen die Russland-Nato-Grundakte von 1997 und der Erklärung von Rom 2002 verstoßen. Diese Vereinbarungen legen fest, dass das westliche Bündnis keine Truppen in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten stationiert.

Um das Bedürfnis der östlichen Bündnispartner nach mehr Schutz trotzdem zu erfüllen, wollen die Nato-Staaten in Wales einen "Readiness Action Plan" (RAP) beschließen.

Der Aktionsplan zur Beschleunigung der Einsatzbereitschaft wurde bereits nach der Annexion der Krim durch Russland angekündigt. Er sieht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zufolge vor, in Polen, Rumänien, Lettland, Litauen und Estland jeweils einen multinationalen "Nato-Stützpunkt für Aufklärung, Logistik und Einsatzplanung" einzurichten. Die mit 300 bis 600 Soldaten aus wechselnden Nato-Ländern besetzten Stützpunkte sollen eine schnelle Verlegung von größeren Truppenverbänden ermöglichen.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte sich zu dem Plan kürzlich in der Süddeutschen Zeitung geäußert, ohne allerdings ins Detail zu gehen: Grundsätzlich gehe es um eine sichtbare Nato-Präsenz im Osten, nicht jedoch um eine massive Truppenverlegung.

Besonders schnelle Eingreiftruppe geplant

In ihrem Bericht über den noch geheimen RAP schreibt die FAS allerdings, die Nato plane, auch kleinere Kampfeinheiten im Osten zu stationieren, die regelmäßig ausgetauscht werden sollen. An diesen Truppen will sich angeblich auch die Bundeswehr beteiligen, die Anfang 2015 eine US-Einheit ablösen soll. Das Verteidigungsministerium hat diese Informationen allerdings nicht bestätigt. Dem Spiegel zufolge stellen die USA derzeit vier Kompanien (je etwa 120 Mann) für Polen und die baltischen Nato-Mitglieder bereit.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Nato eine neue, schnelle Eingreiftruppe mit etwa 4000 Mann bilden will. Wie Bundeswehrexperte Thomas Wiegold auf seiner Homepage berichtet, geht aus einem Schreiben des niederländischen Außenministeriums hervor, dass diese "Very High Readiness Joint Task Force" offenbar die bereits existierende "Nato Response Force" (NRF) ergänzen soll, um innerhalb von Tagen eingreifen zu können.

Nato-Generalsekretär Rasmussen hatte der SZ gesagt, es sei das Ziel, "eine Speerspitze mit einer sehr hohen Einsatzbereitschaft innerhalb dieser Eingreiftruppe zu schaffen". Sollte ein Nato-Verbündeter bedroht sein, könnte diese innerhalb von Stunden eingesetzt werden.

Mit ihren Plänen versucht die Nato, auf eine Politik Russlands zu reagieren, die sie als hybride (gemischte, unkonventionelle) Kriegsführung bezeichnet. Im Gegensatz zu einem militärischen Vorgehen Russlands wie 2008 in Georgien setzt Moskau nun auf einen Komplex verschiedener Maßnahmen wie die heimliche militärische Unterstützung russlandfreundlicher Kräfte und massive Desinformationskampagnen.

Wie die Financial Times berichtete, will der britische Premier David Cameron auf dem Nato-Gipfel Pläne für eine schnelle Eingreiftruppe mit der Bezeichnung "Joint Expeditionary Force" (JEF) vorstellen, an der angeblich auch Dänemark, die Niederlande, Estland, Lettland und Litauen beteiligt sein sollen. Inwiefern die JEF mit der "Speerspitze" (Rasmussen) übereinstimmt, ist noch unklar. Wie eine Sprecherin des britischen Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur dpa sagte, gehe die JEF auf Pläne zurück, die bereits 2012 bekanntgegeben wurden. Das scheint eine Rede des damaligen Vorsitzenden des britischen Verteidigungsstabs, General David Richards, zu bestätigen, berichtet Wiegold.

Nach Angaben der Nato, so die dpa, seien die JEF-Pläne allerdings nicht identisch mit den Maßnahmen des Readiness Action Plan.

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