Süddeutsche Zeitung

Militärputsch in der Türkei:Regierung kann Türken im Ausland künftig Staatsbürgerschaft entziehen

  • Die türkische Regierung hat erneut Notstandsdekrete erlassen. Eines erlaubt dem Kabinett, im Ausland lebenden Türken die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
  • Außerdem wurden etwa 8400 Staatsbedienstete entlassen, darunter vor allem Polizisten und Mitarbeiter des Justizministeriums.
  • Es sind die nächsten Maßnahmen der Regierung infolge des gescheiterten Putschversuchs im Juli.

Die türkische Regierung kann künftig im Ausland lebenden Verdächtigen die Staatsbürgerschaft aberkennen. Voraussetzung ist, dass diese bestimmter schwerer Straftaten beschuldigt werden und trotz Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten in die Türkei zurückkehren. Zu solchen Straftaten zählen unter anderem Putschversuche wie der im vergangenen Juli oder die Gründung bewaffneter Organisationen. Diese Regelung findet sich in den jüngsten Notstandsdekreten, die die Regierung erlassen hat.

Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Umsturzversuch im Sommer verantwortlich. In dessen Folge wurde der Ausnahmezustand verhängt. Zahlreiche Staatsbedienstete im Ausland, die verdächtigt werden, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben, sind der Aufforderung der Regierung zur Rückkehr in die Türkei seither nicht gefolgt. Darunter sollen Diplomaten und Nato-Offiziere sein. Andere Verdächtige setzten sich ins Ausland ab, nachdem der Putsch niedergeschlagen wurde.

8400 Staatsbedienstete entlassen

Erneut wurden zudem Tausende Staatsbedienstete entlassen. Dabei handelt es sich unter anderem um 2687 Polizisten, 1699 Mitarbeiter des Justizministeriums und 841 Angehörige der Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums. Außerdem verloren 631 Akademiker und 155 Verwaltungsangestellte an Universitäten ihren Job. Unter den zahlreichen weiteren von Entlassungen betroffenen Behörden sind auch die Religionsbehörde und das Presseamt. Zusätzlich wurden 83 Vereinigungen geschlossen.

Die von den Ministerien und Behörden entlassenen Staatsbediensteten wurden in Anhängen zu dem Dekret erneut mit ihrem Namen und Dienstort benannt. Diese Praxis ist hoch umstritten, da die Betroffenen damit öffentlich beschuldigt werden, ohne jemals von einem Gericht verurteilt worden zu sein.

Parlament verlängerte Ausnahmezustand bis April

Seit Beginn des Ausnahmezustands am 21. Juli wurden Zehntausende zivile Staatsbedienstete und Angehörige der Sicherheitskräfte entlassen, Tausende weitere wurden suspendiert. Den meisten werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen. Nur ein Bruchteil davon wurde später wieder eingestellt, weil sich die Vorwürfe nicht bewahrheiteten. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sitzen im Zusammenhang mit dem Putschversuch mehr als 41 000 Verdächtige in Untersuchungshaft. Viele Medien wurden geschlossen.

Das türkische Parlament hatte den Ausnahmezustand in der Nacht zum Donnerstag bis zum 19. April verlängert. Die Regierung begründete den Antrag unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen. Seit Verhängung des Ausnahmezustands kann Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan weitgehend per Dekret regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und gelten ab ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt. Das Parlament muss sie nur nachträglich bestätigen.

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