Militäroffensive im Gaza-Streifen:Hamas schwört blutige Rache

Nach den Angriffen Israels im Gaza-Streifen will die radikalislamische Hamas Rache nehmen und droht mit Selbstmordattentaten. Seit Beginn der Militäroffensive wurden mindestens 208 Menschen getötet. Die internationale Welt reagiert entsetzt auf die Eskalation der Gewalt.

Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Bei israelischen Luftangriffen auf Einrichtungen der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen kamen am Samstag mindestens 208 Menschen ums Leben, darunter auch Frauen und Kinder.

Militäroffensive im Gaza-Streifen: Rauch steigt im Flüchtlingslager Buriej auf, während Palästinenser ein Opfer der Luftangriffe wegtragen.

Rauch steigt im Flüchtlingslager Buriej auf, während Palästinenser ein Opfer der Luftangriffe wegtragen.

(Foto: Foto: AFP)

Wie ein Sprecher der palästinensischen Gesundheitsbehörde weiter mitteilte, wurden rund 750 Palästinenser zum Teil schwer verletzt. Das sei die höchste Opferzahl an einem Tag seit dem Sechstagekrieg von 1967.

Die radikalislamische Hamas kündigte umgehend Vergeltung an und feuerte mehr als 50 Raketen auf Israel ab. Ein Israeli kam bei den Angriffen ums Leben.

Der im Exil lebende Chef der Organisation, Chaled Maschaal, rief die Palästinenser am Samstag zu einer neuen Intifada gegen Israel auf. In einem Interview mit dem Fernsehsender al Dschasira forderte er die Palästinenser zudem zu Selbstmordattentaten auf.

"Wir haben der Hamas den Krieg erklärt", sagte der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert. "Ihr seid nicht unsere Feinde", wandte sich Olmert an die 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen. "Wir verfolgen Terrorgruppen, die Euch in die Katastrophe treiben." Israel werde alles tun, um eine humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zu vermeiden.

Vor Journalisten schloss Olmert am Samstagabend einen lang andauernden Einsatz nicht aus. "Es könnte einige Zeit dauern, und jeder Einzelne von uns muss Geduld haben, damit wir den Einsatz beenden können", sagte der Ministerpräsident.

An die Bürger Israels gerichtet fügte er hinzu, es sei möglich, dass in der nächsten Zeit der Raketenbeschuss von palästinensischem Gebiet auf Israel noch zunehmen werde und die Raketen zudem auch eine größere Reichweite als bislang hätten.

Unmittelbar nach den Luftangriffen hatte Hamas-Sprecher Fausi Barhum zuvor angekündigt, dass Israel für das "Blutbad" einen hohen Preis zahlen werde. Er forderte den militanten Flügel der Hamas auf, Raketen mit der größten Reichweite auf Israel abzufeuern.

Unter den Toten sind auch der Hamas-Polizeichef, Taufik Dschaber, sowie der Hamas-Sicherheitschef Ismail al-Dschabari.

Nach israelischen Polizeiangaben schlugen mehr als 50 selbstgebaute Geschosse auf israelischem Boden ein. Eine Rakete traf ein Haus in der Stadt Netivot. Als Folge der Explosion kam ein Mann ums Leben. Fünf weitere Israelis wurden bei den Angriffen teilweise schwer verletzt.

Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak wehrte sich gegen internationale Kritik. "Es ist an der Zeit gewesen, zu handeln. Wir lassen unseren Menschen durch Terror keinen Schaden zufügen", sagte Barak.

Steinmeier telefoniert mit Außenministerin Livni

Armeesprecher Benjamin Rutland sagte, seit Sommer 2005 - dem Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen - seien mehr als 7000 Raketen und Mörsergranaten in Israel eingeschlagen. "Kein Land in der Welt würde oder sollte Angriffe dieser Art tolerieren", sagte Rutland.

Nach den Luftangriffen auf den Gazastreifen hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon der israelischen Regierung einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt vorgeworfen, der zu Toten und Verletzten in der Zivilbevölkerung geführt habe.

Wie ein Sprecher Bans am Samstag in New York mitteilte, verurteilte der UN-Chef zugleich die anhaltenden Raketenangriffe militanter Palästinenser auf den Süden Israels.

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) sagte nach einem Telefonat mit seiner israelischen Amtskollegin Zipi Livni: "Wir respektieren das legitime Recht Israels, sich selbst zu verteidigen." Der Vatikan verurteilte die Luftangriffe; ein Sprecher äußerte die Befürchtung, dass die Angriffe noch mehr Hass produzieren würden. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte beide Konfliktparteien auf, die Eskalation der Gewalt zu stoppen.

Für US-Außenministerin Condoleezza Rice liegt die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt bei der Hamas. "Die Vereinigten Staaten verurteilen streng die wiederholten Raketen- und Mörserangriffe auf Israel und halten Hamas für den Bruch des Waffenstillstands und die erneute Gewalt in Gaza verantwortlich", meinte sie in einer am Samstag in Washington verbreiteten Erklärung.

Leichen auf den Straßen

Rund 60 Kampfflugzeuge hatten nach israelischen Medienberichten am Samstagvormittag überraschend den Gazastreifen angegriffen. In einer ersten Angriffswelle seien rund 50 Einrichtungen der Hamas zerstört worden, darunter Polizeistationen, Gebäude der Sicherheitskräfte, Ausbildungsgelände sowie Waffendepots. Danach hätten Kampfflugzeuge 25 Abschussrampen für Raketen beschossen.

In Gaza spielten sich grauenhafte Szenen ab. Auf den Straßen lagen tote Männer in Polizeiuniformen. Anderen Leichen fehlten der Kopf oder Gliedmaßen. Im Minutentakt wurden Verletzte in das Schifa-Krankenhaus gebracht.

Weil in den Leichenhallen kein Platz mehr war, wurden die Toten nach Augenzeugenberichten in den Gängen gestapelt. Die Ärzte appellierten an die Bevölkerung, Blut zu spenden.

In einer Erklärung der israelischen Armee heißt es, dass das Überraschungsmoment für den Angriff von zentraler Bedeutung gewesen sei. Vor dem Angriff vom Samstag hatte es noch geheißen, dass das israelische Sicherheitskabinett erst am Sonntag über den Militäreinsatz entscheiden wolle.

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