Militärjunta:Die entfesselten Generäle von Myanmar

February 26, 2021, Mandalay, Myanmar: (EDITORS NOTE: Image contains graphic content) A bruised child slingshoted by sol

"Systematische Brutalität durch das Militär": Mehr als 50 Menschen starben in Myanmar schon durch Gewalt von Polizei und Soldaten gegen Demonstranten. Dieses Kind in Mandalay wurde dabei verletzt.

(Foto: Kaung Zaw Hein /imago images/ZUMA Wire)

Immer brutaler verfolgt die Junta ihre Gegner. UN-Vertreter dringen auf harte Schritte des Sicherheitsrats. Doch die Generäle geben sich unbeeindruckt. Überwinden die mächtigen Staaten der Welt ihre Spaltung, um das Militär zu bändigen?

Von Arne Perras

Immer neue verstörende Szenen kommen ans Licht, weil es der Junta in Myanmar nicht gelingt, den Strom an Mitteilungen über soziale Medien zu kontrollieren. "Ich dränge die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die Fotos/Videos der schockierenden Gewalt zu sichten, die gegen friedliche Demonstranten entfesselt wird", fordert Tom Andrews, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar.

Der Süddeutschen Zeitung wurde ein Video aus vertrauenswürdiger Quelle zugespielt, das aus der Deckung einer Wohnung auf die Straße hinaus gefilmt ist. Es zeigt eine versammelte Menge von Polizisten, einige schleppen gerade einen Mann im Wickelrock aus einem Haus, sie schubsen ihn nach vorne, dann fällt ein Schuss, der Gefangene fällt zur Seite. Später packen sie den leblosen Körper an den Armen, sie schleifen ihn über den Asphalt.

Das Video, das eine Exekution auf offener Straße zu zeigen scheint, wurde nach SZ-Informationen am 3. März um 13.23 Uhr in North Okkalapa aufgenommen, einem Stadtteil von Yangon. UN-Experten beschäftigen sich inzwischen mit einer ganzen Flut von Zeugnissen, die den Verdacht auf schwere Verbrechen durch die Junta nahelegen. Tom Andrews beklagt eine "systematische Brutalität". Und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, fordert: "Myanmars Militär muss aufhören, Protestierende zu ermorden und einzusperren." So schwillt die weltweite Empörung weiter an, erste Sanktionen wurden bereits von der Europäischen Union, Großbritannien und den USA verhängt, doch sie scheinen die Generäle nicht besonders beeindruckt zu haben.

Davon berichtet die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Myanmar, Christine Schraner-Burgener. In einer Online-Pressekonferenz gab sie Auskunft über ihren Austausch mit dem Militär, das am 1. Februar putschte und Wahlsiegerin Aung San Suu Kyi wegsperrte. Als die UN-Vertreterin den Vizechef der Junta, Soe Win, telefonisch davor warnte, dass die Armee nun in die Isolation drifte, bekam sie eine ernüchternde Antwort: "Wir sind an Sanktionen gewöhnt, und wir haben Sanktionen in der Vergangenheit überlebt", so zitiert die Schweizer Diplomatin die Machthaber in Myanmar.

Trauma der Unterdrückung

Angesichts rasch steigender Opferzahlen in Myanmar - mehr als 50 Menschen starben bislang bei Einsätzen von Polizei und Militär gegen Kritiker und Demonstranten - wird an diesem Freitag der UN-Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen über die Krise beraten. Während bei Analysten die Einschätzung vorherrscht, dass eine einheitliche Front der Staatengemeinschaft nötig sei, um maßgeblichen Druck auf die neuen Herrscher in Myanmar aufbauen zu können, sind die Voraussetzungen dafür nicht besonders günstig. Denn Peking und Moskau, die jeweils über ein Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat verfügen, zeigten bislang keine Bereitschaft, harte Schritte, etwa ein weltweites Waffenembargo, gegen die Generäle zu beschließen. Sie ziehen sich auf die Position zurück, dass es sich dabei um innere Angelegenheiten des Staates handele.

"Ich hoffe, China wird realisieren, dass es wichtig sein wird zusammenzuarbeiten", sagte Schraner-Burgener in ihrem Appell an die Staatengemeinschaft, auch Russland sprach sie an. Starke Hebel, die beiden Länder zu einer solchen Kooperation zu bewegen, haben die Vereinten Nationen allerdings nicht.

"China wird sich bis zu einem gewissen Grad immer hinter die Generäle stellen", sagt der myanmarische Politiker Sa Sa, der zu jenen gewählten Abgeordneten im myanmarischen Untergrund gehört, die nun ein Ersatzkabinett gebildet haben. "Für China sind die eigenen Investitionen und Geschäftsinteressen viel wichtiger als der Wille unseres Volkes", sagt er. Er fürchtet einen wachsenden Einfluss Pekings. "Wie sollen wir unter dem Schirm Chinas Demokratie wiederherstellen und Menschenrechte schützen können?", fragt er.

Die Generäle haben den Widerstand unterschätzt

Die Erwartungen in Myanmar auf Hilfe von außen sind groß, "das sind traumatisierende Erfahrungen, die wir alle durchmachen", sagt Sa Sa. Die Hoffnung richtet sich vor allem auf den Westen, auch weil die Kräfte der Demokratiebewegung erkennen, dass die Nachbarstaaten Myanmars keine einheitliche Linie finden. Beratungen der Asean-Außenminister Mitte der Woche brachten keinen entscheidenden Impuls, die Krise zu entschärfen.

Die Generäle wiederum wissen, dass ein fortgesetzter Volksaufstand ihr Verhältnis zu Peking auch belasten wird, denn China wünscht sich stabile Verhältnisse in diesem Nachbarland, durch das Peking eine Ölpipeline bauen ließ, um Rohstoffe vom Indischen Ozean bis nach China zu transportieren. Insofern hat das Militär einen riskanten Kurs eingeschlagen und nach Einschätzungen von UN-Experten wohl die Wucht des Widerstandes in Zeiten sozialer Medien unterschätzt. Ein Jahrzehnt in Freiheit hat eine junge Generation geprägt, die nun nicht so leicht aufgeben will.

Aber was hat sie einer Junta entgegenzusetzen, die, wie die gewählten Abgeordneten im Untergrund klagen, Krieg gegen ihr eigenes Volk führt? Sogar Sanitäter müssen offenbar um ihr Leben fürchten, einige sollen vom Militär attackiert worden sein, wie das Online-Magazin Irrawaddy berichtet. "Es ist eine deprimierende Lage", sagte Hla Kyaing, der eine Gruppe von Helfern leitet. Vier Freiwillige wollten Verletzte gerade in die Klinik bringen, als das Militär sie festnahm.

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