Militärischer Abschied für Christian Wulff:Zank um den Zapfenstreich

Der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff hat eingeladen - doch die Gästeliste irritiert viele. Die Fraktionschefs von Union und FDP sind nicht gebeten, Wulffs Vorgänger schon - doch sie sagen alle ab. Dass ein Abschied vom höchsten Staatsamt auch ohne Fackeln und Soldaten ehrenvoll wirken kann, zeigte einer von Wulffs Vorgängern.

Peter Blechschmidt, Sarah Ehrmann und Oliver Das Gupta

Der politische Zank um den Großen Zapfenstreich für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff geht weiter. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft sowie der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Frank-Walter Steinmeier legten Wulff am Dienstag nahe, auf den Zapfenstreich zu verzichten.

Er glaube nicht, dass die Veranstaltung noch einigermaßen würdevoll über die Bühne gehen könne, sagte Steinmeier. Der bayerische FDP-Abgeordnete Erwin Lotter regte eine Verschiebung des Zeremoniells an. Lotter hatte vor wenigen Wochen als erster Bundestagsabgeordneter der Koalition Wulff zum Rücktritt aufgefordert.

Unterdessen bestätigten alle Bundestagsfraktionen, dass ihre Spitzen vom Bundespräsidialamt nicht zum Zapfenstreich eingeladen worden seien. Während man sich bei Union, FDP und SPD darüber verwundert zeigte, hieß es bei den Grünen und der Linkspartei, ihre Repräsentanten wären ohnehin einer Einladung nicht gefolgt.

Bei der SPD hieß es, Steinmeier und der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann hätten aus Termingründen nicht teilnehmen können. Nun müsse man sich auch über einen Vertreter keine Gedanken machen.

Das Präsidialamt erklärte dazu, eingeladen seien die Spitzen der Verfassungsorgane und das gesamte Bundestagspräsidium. Somit seien alle Parteien berücksichtigt. Eine protokollarische Festlegung, wer einzuladen sei, gebe es nicht. Die Entscheidung darüber liege bei dem zu Ehrenden.

Ihre Teilnahme zugesagt haben dagegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Philipp Rösler und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Verteidigungsminister Thomas de Maizière als Inhaber der Befehlsgewalt über die Bundeswehr ist quasi Ausrichter des Zeremoniells und kraft Amtes dabei.

Heinemanns Alternativprogramm

Der Ablauf des Zapfenstreichs ist klar geregelt. Der Geehrte darf sich Musikstücke aussuchen, die für ihn gespielt werden. Dabei gibt es keine zahlenmäßige Festlegung. Üblich sind drei Stücke, aber es hat auch schon Zapfenstreiche mit zwei oder vier gegeben. Wulff hat sich vier gewünscht.

Gustav Heinemann Prantls Blick EGOWiG Amnestie NS-Verbrechen

Schipperte statt eines Zapfenstreichs lieber mit Hunderten Gästen auf dem Rhein: Gustav Heinemann, der erste sozialdemokratische Bundespräsident (Archivfoto von 1969)

(Foto: dpa)

Anders als bei den meisten seiner Amtsvorgänger wird kein Altpräsidenten am Zapfenstreich für Wulff teilnehmen, wie deren Büros schon am Montag der SZ bestätigten.

Die vier noch lebenden Ex-Staatsoberhäupter Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Horst Köhler seien allerdings eingeladen gewesen, sagte ein Sprecher des Präsidialamts auf SZ-Anfrage. Aus dem Umfeld Scheels hieß es, der inzwischen 93-Jährige "geht gerne zu Zapfenstreichen". Der FDP-Ehrenvorsitzende habe den Abschieden seiner Nachfolger Weizsäcker 1994, Herzog 1999 und Rau 2004 beigewohnt.

Bei Rau war auch Weizsäcker anwesend, ebenso wie bei der Zeremonie für Horst Köhler 2010. Warum Weizsäcker diesmal nicht kommt, ließ sein Büro offen.

Aus Köhlers Umgebung verlautet, der direkte Vorgänger Wulffs sei wegen einer Auslandsreise verhindert. Herzog sagte wegen eines anderen Termins ab: Er sei alleiniger Redner auf einer Veranstaltung bei Düsseldorf - "er kann nicht 150 Gäste sitzen lassen", hieß es aus seinem Büro in Heilbronn.

Dass ein Abschied vom höchsten Staatsamt auch ohne Fackeln und Soldaten ehrenvoll wirken kann, zeigte Gustav Heinemann, dem das Militärische ohnehin nicht lag. Als er 1974 aus dem Amt schied, verzichtete er auf den Zapfenstreich - und lud zu einer Bootsfahrt auf dem Rhein.

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