Militäreinsatz:Wieso die Bundeswehr im Norden Malis helfen soll

Bundeswehr in Mali

Hauptaufgabe der Bundeswehr ist es bisher, malische Soldaten auszubilden, hier sind es Pioniere in der Nähe der Hauptstadt Bamako.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
  • Das Verteidigungsministerium erwägt eine Ausweitung des Bundeswehr-Engagements in Mali.
  • Werden die Erwägungen umgesetzt, würde die Bundeswehr künftig auch im gefährlicheren Norden eingesetzt.
  • Die Niederlande hatten bereits vor einiger Zeit um Unterstützung und Entlastung im Norden Malis angefragt.
  • Sie sind unter den europäischen Nationen der Partner, mit deren Streitkräften die Bundeswehr am engsten kooperiert.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Im Sommer vergangenen Jahres musste Ursula von der Leyen mal wieder die Erfahrung machen, wie weit in ihrem Ressort häufig Wunsch und Wirklichkeit auseinanderliegen. Die CDU-Politikerin, gerade ein halbes Jahr Verteidigungsministerin, weilte zum Antrittsbesuch in den USA und sagte nach einem Gespräch bei den Vereinten Nationen (UN), Deutschland wolle sich künftig stärker bei UN-Friedensmissionen einbringen. Als eine Möglichkeit nannte sie den Lufttransport. Kurz danach allerdings wurde bekannt, dass die UN auf die deutschen Lufttransport-Kapazitäten mittlerweile dankend verzichten.

Die Führung der UN-Truppe Minusma, eingesetzt zur Stabilisierung des Krisenstaates Mali, hatte mitgeteilt, dass sie zwei von Deutschland zur Verfügung gestellte Transall-Transportflugzeuge nicht mehr einsetzen werde. Zuvor hatte sich die Minusma-Führung mehrmals beschwert, weil die altersschwachen Maschinen nachts nicht fliegen konnten und bei starker Hitze häufig am Boden bleiben mussten. Statt der deutschen Propellerflugzeuge wollte Minusma lieber Maschinen anderer Nationen einsetzen, unter anderem einen Transportflieger aus Ghana.

Am UN-Einsatz im Land ist Deutschland bisher nur mit neun Soldaten beteiligt

Seither hielt sich der deutsche Minusma-Beitrag in äußerst engen Grenzen. Während die Bundeswehr sich im stabileren Süden des Landes stark in der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali engagierte, hatte man mit Minusma kaum etwas zu tun. An der EU-Ausbildungsmission ist die Bundeswehr derzeit mit fast 200 Soldaten beteiligt, an der mit mehr als 9000 Soldaten wesentlich größeren UN-Mission hingegen mit nur neun Soldaten.

Die Minusma-Mission konzentriert sich derzeit auf die Überwachung eines Friedensabkommens für den Norden des Krisenstaates, das im Juni unterzeichnet wurde. Nun konkretisieren sich im Verteidigungsministerium die Überlegungen, wie die Bundeswehr helfen könnte, den Auftrag umzusetzen.

Die Überlegungen basieren auf dem Bericht eines Erkundungsteams, das Anfang vergangener Woche aus Mali zurückgekehrt ist. Werden die Erwägungen umgesetzt, würde die Bundeswehr künftig auch im gefährlicheren Norden eingesetzt. So könnte noch in diesem Jahr ein Vorauskommando geschickt werden, dem Anfang 2016 Objektschützer und Unterstützungskräfte folgen könnten, bevor zwischen April und Juni eine "gemischte verstärkte Aufklärungskompanie" das deutsche Kontingent komplettieren könnte, wie es in einem internen Dokument aus dem Ministerium heißt.

Denn darum ginge es bei dem Einsatz vor allem: um Aufklärung, um ein klares Lagebild. Der Grund für das zeitversetzte Szenario liegt nach Angaben aus Militärkreisen darin, dass die Niederländer bis zum Frühjahr noch selbst Aufklärungskapazitäten in Mali zur Verfügung haben.

Das niederländische Camp Castor im nördlich gelegenen Gao biete "grundsätzlich die Voraussetzung, den Anforderungen hinsichtlich Unterbringung, Versorgung sowie Betreuung und Fürsorge zu entsprechen", heißt es in dem Dokument aus der Abteilung Strategie und Einsatz weiter. Allerdings weise die "sanitätsdienstliche Rettungskette", zugeschnitten auf die Niederländer, noch "Schwächen hinsichtlich Zeitlinien und Kapazitäten auf".

Mali und die Zahl der Flüchtenden

Zudem sei "zwingende Voraussetzung" für eine Erweiterung des deutschen Engagements, dass die Niederländer "Kernfähigkeiten" im Norden ließen. Ihre Kampfhubschrauber müssten bleiben, und sie müssten sicherstellen, dass verletzte Soldaten schnell geborgen und versorgt werden können.

Die Niederlande hatten bereits vor einiger Zeit um Unterstützung und Entlastung im Norden Malis angefragt. Sie sind unter den europäischen Nationen mittlerweile der Partner, mit deren Streitkräften die Bundeswehr am engsten kooperiert. Ministerin von der Leyen betont zudem häufig das gute Verhältnis zu ihrer Kollegin Jeanine Hennis-Plasschaert.

Darüber hinaus entspräche eine Erweiterung des deutschen Engagements von der Leyens Ankündigungen zu Beginn ihrer Amtszeit. Damals hatte sie nicht nur eine stärkere Beteiligung an UN-Friedensmissionen in Aussicht gestellt, sondern auch Afrika zu einem der Schauplätze erklärt, an denen Deutschland mehr Verantwortung übernehmen wolle. Dass daraus lange Zeit kaum etwas gefolgt war, hatte ihr Kritik eingetragen.

Die Soldaten müssten sich um den gesamten Norden des Krisenstaates kümmern

Nun heißt es in ihrem Ministerium auf Anfrage: "Deutschland hat ein besonderes sicherheitspolitisches Interesse an der weiteren Stabilisierung Malis." Daher prüfe man mit dem Auswärtigen Amt "einvernehmlich", wie man hier einen "Mehrwert" leisten könne. In Militärkreisen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Flüchtlingskrise verwiesen. Helfe man bei der Stabilisierung Malis, könne man einen Beitrag dazu leisten, die Zahl der Flüchtenden zu senken. Zudem könne man mit einem solchen Einsatz helfen, die "Ziele der afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung" zu erfüllen.

Doch was bedeutet all das nun für die Bundeswehr? Es bedeutet vor allem ein höheres Risiko als im Süden, wo die deutschen Soldaten bislang eingesetzt sind. Erst am Dienstag wurde ein Anschlag auf einen von Soldaten geschützten Konvoi im Norden des Landes gemeldet, bei dem mindestens sechs Menschen starben.

Seit die Bundesregierung vor zwei Monaten erstmals Überlegungen für ein Engagement im Norden Malis bekannt gab, gibt es daher in Berlin auch Mahner, die befürchten, die Bundeswehr könne in eine Art zweites Afghanistan hineingezogen werden. Einsatzgebiet der deutschen Soldaten wäre nach Angaben aus Militärkreisen jedenfalls der gesamte Norden des Landes.

Im Ministerium wiegelt man ab: Noch stehe gar nichts fest, heißt es offiziell. Doch gleichsam passend zu den Überlegungen wurde am Mittwoch das Ergebnis einer Expertenkommission bekannt, die einsatzerfahrene Soldaten zu Präzisionsproblemen des Sturmgewehrs G36 befragt hatte. Demnach hatte sich kein Soldat beklagt - stattdessen, hieß es, hätten alle Soldaten "volles Vertrauen" in das G36 bekundet, nicht zuletzt aufgrund der "hohen Zuverlässigkeit". Die Präzisionseinschränkungen seien im Gefecht "nicht von erkennbarer Relevanz". Im Norden Malis könnte das schon bald eine Menge wert sein.

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