Süddeutsche Zeitung

Militäreinsatz nach Ausschreitungen:Ägypten erwägt Ausrufung des Notstands

Zwei Tage lang dauern die Ausschreitungen in Ägypten, mehr als 30 Menschen sind dabei gestorben. Nun erwägt Ägyptens Regierung, den Notstand auszurufen - und Präsident Mursi lässt Panzer ausrücken.

Mehr als 30 Tote und über 350 Verletzte allein in Port Said: so lautet die Bilanz von zwei Tagen ausufernder Krawalle in Ägypten. Nun denkt Ägyptens Regierung darüber nach, den Notstand auszurufen, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

In einer vom Staatsfernsehen übertragenen Erklärung des Rates zur Verteidigung des Landes hieß es, dass alle verfassungsgemäßen Maßnahmen zur Herstellung der Sicherheit ergriffen werden sollten. In Port Said erklärte der Gouverneur den Sonntag zum arbeitsfreien Tag, um die Behördenmitarbeiter vor weiterer Gewalt zu schützen.

Präsident Mursi sagte wegen der aktuellen Krise die Teilnahme am Afrika-Gipfel in Äthiopien ab und beriet sich mit seinen Ministern für Verteidigung, Justiz und Information über das weitere Vorgehen. Der Nationale Verteidigungsrat unter seinem Vorsitz rief zur Ruhe und zu einem nationalen Dialog aufgerufen. Der Rat "verurteilt die Gewaltakte" und rufe die politischen Kräfte im Land auf, ihre Meinung friedlich zu äußern, trug Informationsminister Salah Abdel Maksud am Samstag in Kairo aus einer Erklärung des Gremiums vor.

Armee rückt mit Panzern aus

"Unabhängige nationale Persönlichkeiten" rief der Nationale Verteidigungsrat auf, sich an einem Dialog zu beteiligen, um politische Differenzen beizulegen. Außerdem sollten sie sich über das Vorgehen bei den nächsten Parlamentswahlen einigen. Gleichzeitig ließ Mursi am Abend die ägyptische Armee mit Panzern und Schützenpanzern ausrücken, um mit ihrer Präsenz an den verschiedenen Brennpunkten für Ruhe zu sorgen.

Auslöser der Gewaltwelle waren Todesurteile gegen 21 Fußballfans wegen der Beteiligung an den schlimmsten Fußballkrawallen in der Geschichte des Landes mit vielen Toten. Vor einem Jahr, am 1. Februar 2012, waren im Fußballstadion in Port Said 74 Menschen ums Leben gekommen. Unmittelbar nach Abpfiff hatten Fans der Heimmannschaft Al-Masri damals das Spielfeld gestürmt und waren mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Fans des Kairoer Vereins Al-Ahli losgegangen.

Fans werfen Richtern politisches Urteil vor

Von den Al-Masri-Fans wurden später 61 wegen Mordes angeklagt. Neun Polizisten wurden wegen Nachlässigkeit im Dienst vor Gericht gestellt, weil sie die Fans vor dem Spiel nicht gründlich nach Waffen durchsucht hätten. Sie waren nicht unter den ersten Verurteilten.

Aus Sicherheitsgründen war das Verfahren von Port Said nach Kairo verlegt worden. Für die noch nicht verurteilten Angeklagten fällt der Richterspruch am 9. März. Anhänger des Vereins Al-Ahli feierten die Entscheidung der Richter. In Port Said dagegen eskalierte die Gewalt. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, Tränengas wurde eingesetzt. Unter den Toten waren auch zwei Polizisten, wie staatliche Medien unter Berufung auf das Innenministerium berichteten.

Die Fans in Port Said werfen den Richtern ein politisches Urteil vor. Jüngst hatte die Staatsanwaltschaft neue Beweise eingebracht, die in diesen Richterspruch nicht eingeflossen sind. Der schwarze Tag des ägyptischen Fußballs gilt längst als Symbol für die desolate Lage im Land. Präsident Mohammed Mursi jedenfalls zählte die 74 Toten vor wenigen Tagen zu den offiziellen "Märtyrern der Revolution".

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