Militäreinsatz in Mali:Mehrfachrisiko in der Wüste

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Die Situation in Mali ist verheerend. Gewiß. Und die Gefahr einer Talibanisierung der Sahara ist mit der Situation in den Kriegsgebieten am Hindukusch vergleichbar. Nun wird Mali zum wichtigen Test, ob die Brücke zwischen Afrika und dem Westen belastbar ist - und auch beiden Seiten tatsächlich nützt.

Ein Kommentar von Arne Perras, Kampala

Malis Misere ist weit weg - aber dennoch eine Bedrohung für Europa. Die Gefahr, die aus der Wüste kommt, hat viele Gesichter: Durch die Sahara schmuggeln Drogenkartelle tonnenweise Kokain für den europäischen Markt. Waffen werden in der Wüste hin und her verschoben. Kidnapper entführen Ausländer, um Lösegeld zu erpressen. Die Summen, die von den Tätern in der Sahara inzwischen gefordert werden, lassen die somalischen Piraten wie Geisel-Discounter aussehen.

All diese dubiosen und niederträchtigen Geschäfte werden zunehmend von Banden betrieben, die auch radikal-islamischen Terror verbreiten. Vor einer "Afghanisierung der Sahara" zu warnen, ist deshalb keine alarmistische Übertreibung, auch wenn das Bild simpel wirkt. Die Sahara und ihre Menschen sind mit den Kriegsgebieten in den Bergen und Tälern am Hindukusch sicher nicht gleichzusetzen. Wohl aber sind die Gefahren verwandt.

Schwierig wird es, aus der klaren Diagnose die richtige Therapie zu entwickeln. In der Medizin mag man darüber streiten, ob mit steigender Zahl der behandelnden Ärzte die Heilungschancen steigen oder sinken - in der Politik gibt es zahllose Belege dafür, dass Länder, auf die sehr viele Kräfte von außen wirken, kaum zur Ruhe kommen können. Es sei denn, alle Beteiligten ziehen tatsächlich an einem Strang. Das gibt es selten.

Ob es im Falle Malis gelingen wird, ist alles andere als gewiss. Zwar hat der UN-Sicherheitsrat nun einstimmig den Weg für eine westafrikanische Eingreiftruppe in Mali freigegeben, für einen Staat also, der in sehr kurzer Zeit völlig zerfallen ist. Aber es gibt zahlreiche Gründe, weshalb der Vorstoß ausländischer Truppen ein riskantes Vorhaben bleibt - nicht nur mit Blick auf die militärischen Probleme selbst, sondern auch wegen der Folgen, die eine Offensive fremder Truppen in einer politisch sehr fragilen Region nach sich ziehen kann.

Besser reden als schießen

Drei Schwierigkeiten sind von besonderer Bedeutung: Erstens fürchten Nachbarstaaten, dass der Vorstoß der Eingreiftruppen die rebellischen Milizen womöglich weiter zersplittern und zur Flucht über die Grenzen zwingen wird - wo sie dann erneut Unruhe stiften. Das könnte auch Algerien in Bedrängnis bringen, den Riesen an Malis Nordgrenze, der es ohnehin nicht gerne sieht, wenn afrikanische Truppen in seinen Hinterhof einmarschieren.

Zweitens sind auch die Offiziere in der Hauptstadt Bamako nicht begeistert davon, dass nun schlagkräftige ausländische Truppen ins Land strömen. Gerade haben sich die Militärs an die Macht geputscht und eine Fassaden-Regierung vorgeschoben, nun fürchten sie um ihren Einfluss. Und drittens hat der rapide Zerfall Malis eine Koalition der Willigen aus westlichen und afrikanischen Staaten geschaffen, die erst noch beweisen muss, dass sie einen gemeinsamen Plan auch gemeinsam durchsetzen kann. So wird Mali zum wichtigen Test, ob die Brücke zwischen Afrika und dem Westen belastbar ist und auch beiden Seiten tatsächlich nützt.

Bei so vielen Risiken ist es derzeit immer noch besser, zu reden als zu schießen. Damit kapituliert man nicht vor den Terroristen, sondern gehorcht der Einsicht, dass die Folgen eines militärischen Einmarsches schwer abzuschätzen sind. Jede Verhandlungslösung, die den malischen Staat wieder halbwegs aufrichtet, ist vermutlich besser als ein Militärschlag mit ungewissem Ergebnis.

Sollte der Militäreinsatz dennoch unvermeidlich sein, weil die Gespräche zu gar nichts führen, muss Algerien als Akteur einbezogen werden, sonst kann eine neue Front zwischen Algier und den westafrikanischen Staaten aufbrechen. Solch ein Konflikt würde noch tiefer in die Wüste führen.

© SZ vom 22.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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