Süddeutsche Zeitung

Finanzen:Bundestag beschließt Sondervermögen

Die von Kanzler Olaf Scholz angekündigten 100 Milliarden Euro für das Militär nähern sich der Freigabe. Die Abgeordneten stimmten mit breiter Mehrheit dafür, das Grundgesetz zu ändern.

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag der Grundgesetzänderung zur Einrichtung eines 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens Bundeswehr zugestimmt. Bei der Abstimmung votierten 567 Abgeordnete dafür, 96 stimmten dagegen, 20 enthielten sich. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die damit erreicht wurde. Mit dem Geld soll in den kommenden Jahren eine bessere Ausrüstung für die Streitkräfte angeschafft werden. Dabei geht es um Flugzeuge, Panzer und Munition, aber auch um persönliche Ausrüstung der Soldaten wie etwa Nachtsichtgeräte oder Funkgeräte.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warben im Parlament für den Sonderfonds. "Wir haben uns diese Welt nicht ausgesucht, aber müssen uns dieser neuen Realität stellen", sagte Baerbock und verwies auf "Russlands brutalen Angriffskrieg" auf die Ukraine. Die Defizite bei der Bundeswehr seien keine Sekunde länger tragbar. Lambrecht fügte hinzu, dass mit der Mangelverwaltung nun Schluss sein müsse. Dafür werde jetzt der Grundstein gelegt.

Russland kritisierte die erhöhten Ausgaben für die Bundeswehr als eine Remilitarisierung Deutschlands, die die Sicherheitsrisiken erhöhe. "Wir nehmen die Erklärung des deutschen Bundeskanzlers als eine weitere Bestätigung dafür wahr, dass Berlin einen Kurs für eine beschleunigte Remilitarisierung des Landes eingeschlagen hat", sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa. Wie das enden könne, habe leider die Geschichte gezeigt, fügte sie hinzu.

Mindestlohn steigt auf 12 Euro

Außerdem stimmten die Abgeordneten für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Mit den Stimmen der Ampelkoalition und der Linken beschloss der Bundestag das zentrale Wahlversprechen von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Gemäß dem Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll die Lohnuntergrenze zum 1. Oktober 2022 erhöht werden. Derzeit liegt sie bei 9,82 Euro, zum 1. Juli steigt sie - das war bereits beschlossen - auf 10,45 Euro. CDU, CSU und AfD enthielten sich in der Schlussabstimmung.

"Wer bisher Vollzeit auf Basis des Mindestlohns brutto 1700 Euro verdient, der kriegt zukünftig 2100 Euro", sagte Heil. "Das ist immer auch noch nicht die Welt, aber es ist spürbar im Portemonnaie." Laut Arbeitsministerium werden davon direkt etwa 6,2 Millionen Menschen in Deutschland profitieren, die derzeit einen Stundenlohn von weniger als zwölf Euro haben - vor allem Frauen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland.

Normalerweise wird der Mindestlohn in einer Kommission ausgehandelt, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften sitzen. Bei ihren Koalitionsverhandlungen hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, ihn einmalig per Gesetz anzuheben. Dieser staatliche Eingriff stößt auf Kritik in der Wirtschaft und in der Union: Er befürworte die Erhöhung des Mindestlohns, lehne die Schwächung der Sozialpartner aber ab, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Hermann Gröhe (CDU). Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Union, Axel Knoerig (CDU), warf Minister Heil vor, die Mindestlohnkommission entmachtet zu haben.

Zum 1. Juli steigen die Renten deutlich

Profitieren sollen auch Menschen, die nicht mehr arbeiten: Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten zum 1. Juli eine so kräftige Erhöhung ihrer Bezüge wie seit Jahrzehnten nicht. Im Westen steigen die Renten um 5,35 Prozent, im Osten um 6,12 Prozent. Mit dem Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschloss der Bundestag zudem Verbesserungen für Menschen, die schon länger Erwerbsminderungsrente beziehen. Das Gesetz wurde am Freitag mit den Stimmen der Koalition, der Union und der AfD verabschiedet.

Am Freitag beschloss der Bundestag ebenfalls mit großer Mehrheit den Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der Bund darf in diesem Jahr fast eine halbe Billion Euro ausgeben und erneut hohe Schulden machen. Geprägt vom Ukraine-Krieg und der Corona-Pandemie sind darin noch einmal Kredite von 138,9 Milliarden Euro vorgesehen. Dafür zogen die Abgeordneten am Freitag erneut die Ausnahmeregelung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. In ihrem ersten vollen Regierungsjahr will die Ampel-Koalition insgesamt rund 495,79 Milliarden Euro ausgeben. Ein Fokus liegt auf Investitionen in Klimaschutz und Energiewende.

Für alle Steuerzahler steigt der Grundfreibetrag, auf den man keine Einkommensteuer zahlt. Fernpendler werden steuerlich besonders entlastet. Außerdem gelten im Juni, Juli und August geringere Energiesteuern auf Sprit. Alle einkommensteuerpflichtig Beschäftigten bekommen zudem eine Energiepreispauschale von 300 Euro, Menschen mit wenig Geld einen Zuschuss zu den Heizkosten und Familien einen Sofortzuschlag.

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