Militär:Marine-Einsatz vor Libyen fraglich

Korvette lâÄ°uft zu EU-Einsatz vor Libyen aus

Die einzige voll einsatzfähige Korvette der Bundesmarine: die Ludwigshafen am Rhein, hier im Stützpunkt Warnemünde.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Bundesaußenminister Heiko Maas unterstützt die EU-Mission zur Überwachung des Waffenembargos - doch die Bundeswehr verfügt derzeit nicht über die nötigen Schiffe.

Von Mike Szymanski, Berlin

Deutschland hätte derzeit größte Mühe, militärisch einen kraftvollen Beitrag für eine EU-Mission zur Überwachung des Waffenembargos im Libyen-Konflikt zu leisten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Marine wieder erhebliche Schwierigkeiten mit der Einsatzbereitschaft ihrer Flotte. Von neun Fregatten seien demnach aktuell lediglich drei Schiffe uneingeschränkt einsatzfähig, von den fünf Korvetten lediglich eine. Die einsatzfähigen Schiffe seien zudem entweder in anderen Einsätzen gebunden, dafür eingeplant oder zu frisch vom Einsatz zurück, um sie sofort wieder in See stechen zu lassen. Nach Einschätzung aus Expertenkreisen ist eine solche zusätzliche Mission mit den vorhandenen Kapazitäten derzeit "eigentlich nicht machbar"; die Marine habe keinerlei Reserven für einen zusätzlichen Auftrag.

Noch Anfang der Woche hatte sich Berlin erfreut darüber gezeigt, dass die Europäische Union auch auf Drängen Deutschlands mehr Verantwortung übernehmen will, um zu einem Frieden in Libyen zu kommen. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten hatten sich am Montag darauf geeinigt, sich an der Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Libyen zu beteiligen. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach am Montag von einer "Grundsatzentscheidung" und betonte, dass die Kontrollen nicht nur aus der Luft über Satelliten, sondern auch mit Schiffen erfolgen werde. Ohne eine "maritime Komponente" sei ein komplettes Lagebild unmöglich. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer setzt sich seit ihrem Amtsantritt im Sommer 2019 vehement für ein stärkeres Engagement der Bundeswehr im Ausland ein. Nun zeigt sich, dass die Bundeswehr weiteren Anforderungen momentan nicht gewachsen zu sein scheint.

Die Fregatten sind in der Werft, in Manövern - oder die Crews sind noch nicht fertig ausgebildet

Im Fall des Waffenembargos steht die Frage im Raum, wie ein angemessener Beitrag Deutschlands aussehen könnte. Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums verlautete, dass Berlin im Idealfall eine Fregatte in einen Einsatz schicken müsste. Ein solch großes Kriegsschiff hätte den Vorteil, dass es einerseits das Personal aufnehmen könnte, um eine derartige Mission von See aus zu führen. Das wäre ein wichtiges Signal an Partnernationen. Andererseits ist ein so großes Schiff dafür ausgelegt, Boarding-Teams mit ihrer Ausrüstung mitzuführen. Das sind jene speziell ausgebildeten Soldaten, die in der Lage sind, sich von Speedbooten oder Hubschraubern Zugang zu fremden Schiffen zu verschaffen, um gegebenenfalls auch unter Zwang Kontrollen durchzuführen. Mit den kleineren Korvetten ist dies auch möglich. Doch gerade bei diesen Kampfschiffen herrscht Mangel.

Von den drei komplett einsatzfähigen Fregatten ist die Mecklenburg-Vorpommern erst am 17. Januar in Richtung Ägäis ausgelaufen und hat dort die Hamburg als Teil eines ständigen Nato-Verbandes abgelöst. Die Fregatte Lübeck soll in ein paar Tagen zu einem neuen Manöver auslaufen. Die anderen Schiffe liegen entweder planmäßig in der Werft, sind zur Reparatur oder die Besatzungen befinden sich noch in der Ausbildung. Bei den Korvetten sieht es ähnlich düster aus, die einzige voll einsatzbereite Korvette Ludwigshafen am Rhein ist auf Mission der Vereinten Nationen vor der Küste Libanons. Von den übrigen vier Korvetten würden drei wegen Liegezeiten in der Werft ausfallen, bei einer sei quasi der Schiffs-TÜV abgelaufen. Die Marine wartet auf neue Schiffe, aber sie kommen viel später als geplant. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, wies in seinem Jahresbericht daraufhin, dass die Marine "nie kleiner war" als heute.

Unlängst hatte auch Marineinspekteur Andreas Krause unumwunden eingeräumt, dass es trotz aller Bemühungen bislang nicht gelungen sei, die Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Tatsächlich ist es möglich, dass die Marine in diesem Jahr abermals auf einen neuen Tiefstand bei der Einsatzbereitschaft zusteuert, weil Schiffe länger als geplant in den Werften lägen und sich dadurch andere Instandsetzungen verzögerten.

Abgesehen von den Schiffen könnte Deutschland aus der Luft mit Seefernaufklärern einen Beitrag leisten. Aber auch hier gibt es Probleme. Die Marine hat betagte Flugzeuge vom Typ P-3C Orion . Mehr als zwei dieser acht Spezialflugzeuge, über die die Bundeswehr verfügt, sind in der Regel nicht einsetzbar. Und die Orion ist eigentlich eingeplant für die Anti-Piraterie-Mission Atalanta, am Horn von Afrika.

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