Milieuschutz:Im Zweifel für den Mieter

Milieuschutz: Nicht noch mehr luxuriöse Ferienwohnungen: Hörnum auf Sylt setzt auf Milieuschutz.

Nicht noch mehr luxuriöse Ferienwohnungen: Hörnum auf Sylt setzt auf Milieuschutz.

(Foto: imago stock&people)

Wie Kommunen die Eigenart einzelner Stadtviertel bewahren wollen.

Von Roland Preuß

Städte und Gemeinden können etwas tun, um das Leben von Mietern zu erleichtern. Sie können sich um geeignete Flächen kümmern, Bauland ausweisen oder selbst Wohnraum schaffen, also dafür sorgen, dass es mehr Wohnungen gibt, die idealerweise auch noch günstig sind. Parteiübergreifend ist man sich allerdings weitgehend einig, dass man auch angestammte Mieter vor Verdrängung durch horrende Preissteigerungen schützen will. Das geschieht durch den sogenannten Milieuschutz. Der soll, wie das Wort schon sagt, die Eigenheiten eines Viertels, wo etwa viele nicht unbedingt einkommensstarke Familien leben und es noch kleine Geschäfte und Handwerksbetriebe gibt, gegen Begehrlichkeiten von Investoren verteidigen.

Die Kommunen erlassen dafür Milieuschutzsatzungen. Laut einer Übersicht, die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im April erstellt hat, nutzen vor allem Großstädte dieses Instrument: Hamburg, Berlin, München, Köln, Leipzig, Stuttgart, Frankfurt, Münster, Freiburg und Erlangen. Aber auch Hörnum auf Sylt, Norderney und mehrere Ostseebäder versuchen so, den Wunsch nach luxuriösen Ferienwohnungen einzuhegen und ihren Charakter einigermaßen zu bewahren.

Die Kommune darf es dann zum Beispiel ablehnen, dass Eigentümer teure Bäder, Böden, oder Aufzüge einbauen lassen, weil dann die Mieten stark steigen könnten. Eigentümer können auch nicht frei den Grundriss ändern oder Wohnungen in Büros umwandeln, vieles muss genehmigt werden. Allein Berlin hat mittlerweile 72 solcher Gebiete ausgewiesen, in denen deutlich mehr als eine Million Menschen wohnen. In München sind es 37 Satzungen mit etwa 335 000 Einwohnern. Typischerweise sind das Quartiere mit Häusern aus der Gründerzeit, Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, oft mit aufwendig verschnörkelter Fassade, zentral gelegen in den Innenstädten.

Ein Teil der Kommunen mit Milieuschutzgebieten setzt zudem auf das kommunale Vorkaufsrecht - auch wenn das derzeit wegen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom Herbst kaum möglich ist. Es kauft also im Zweifelsfall selbst Mietshäuser, um deren Bewohner zu schützen. Laut BBSR sind das Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Leipzig und Köln.

Berlin ließ sich das Vorkaufsrecht bisher mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten

Das kann dann teuer werden. Berlin etwa gab bisher laut Senat für fast 2700 Wohnungen 530 Millionen Euro aus, viel Geld, um im Vergleich zur gesamten Bevölkerung eher wenige Mieter zu schützen. In den meisten Fällen aber einigten sich Stadt und Investor auf eine Abwendungsvereinbarung, in der sich die Käufer auf einen verschärften Mieterschutz verpflichten; in Berlin war das bei fast 9800 Wohnungen so. München kaufte laut BBSR 1049 Wohnungen und erzielte für gut 3600 Vereinbarungen mit Investoren. Das kommunale Vorkaufsrecht ist also weniger ein Mittel, um den Städten zu mehr Mietshäusern zu verhelfen, sondern vielmehr ein Druckmittel auf private Käufer.

Angesichts des Wohnungsmangels, der auch jenseits der Metropolen stärker spürbar wird, zeigen immer mehr deutsche Städte Interesse am Milieuschutz. So laufen laut BBSR auch in Mannheim, Düsseldorf, Bonn, Nürnberg und Dresden Vorbereitungen oder Diskussionen, ob man Milieuschutzsatzungen einführen will. Als jüngste Stadt hatte sich vergangenes Jahr Karlsruhe dafür entschieden.

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