USA:Der Vize muckt auf

USA: Konservativer Christ, nicht ganz frei von Scheinheiligkeit: Mike Pence

Konservativer Christ, nicht ganz frei von Scheinheiligkeit: Mike Pence

(Foto: Aimee Dilger/Imago)

Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence greift seinen Ex-Chef Donald Trump scharf an - behindert aber die juristische Aufarbeitung von dessen Missetaten. Offenbar plant Pence, selbst für die Präsidentschaft zu kandidieren.

Von Fabian Fellmann, Washington

Mike Pence legt großen Wert auf neutestamentliche Nächstenliebe. Darin fand der damalige Vizepräsident Trost, nachdem ihn Anhänger seines Chefs durch das US-Kapitol gejagt hatten. "Hängt Pence", hatte Donald Trumps Mob am 6. Januar 2021 skandiert. Ein Christ müsse schnell zuhören, aber nur langsam antworten und nur langsam wütend werden, las Pence im Brief von Jakobus bei seiner täglichen Andacht.

Jetzt, zwei Jahre später, hält Pence die Zeit für reif, um seine Wut in Worte zu fassen. "Die Geschichte wird über Donald Trump richten", sagte er am Samstag vor dem "Gridiron Club". Es war ein ungewohnt beißender Kommentar für das alljährliche Dinner der exklusivsten Vereinigung von Journalistinnen und Journalisten in Washington, bei dem sonst ein scherzhafter Ton gepflegt wird.

Pence aber schlug eine ernste Note an. "Was an jenem Tag geschah, war eine Schande", sagte der 63-Jährige über den Kapitolsturm. "Und es ist unanständig, ihn anders darzustellen." Erst gerade hatte der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, dem rechten Fernsehsender Fox News exklusiven Zugang zu den Rohdaten der Überwachungskameras im Kapitol gewährt. Moderator Tucker Carlson ließ daraus ein Video zusammenschneiden, das den Mob als "Touristen" porträtierte.

Er zeigte Rückgrat, aber erst sehr spät

Die Verharmlosung hat System; Trump und seine Getreuen nennen die Demonstranten "Patrioten" und "politische Gefangene". Pence antwortete nun mit Fakten: "Touristen verletzen nicht 140 Polizisten." Die Rede war seine schärfste Kritik am früheren Chef, den er schon bei früherer Gelegenheit namentlich gescholten hatte.

Es wäre wohl übertrieben, die Bemerkungen als Sünde der Selbstgerechtigkeit zu werten. Der Mann hat immerhin Rückgrat bewiesen, als Trump mit fadenscheinigen juristischen Argumenten forderte, er solle das Wahlresultat in der Funktion als Senatsvorsitzender einfach nicht bestätigen. "Donald Trump lag falsch. Ich hatte kein Recht, die Wahl umzustoßen", wiederholte Pence am Samstag.

Frei von Pharisäertum ist Pence' Gebaren indes nicht. Vier Amtsjahre und zwei Wahlkämpfe lang hatte er Trump die Treue gehalten. Da war schon längst offensichtlich, dass dieser nicht gerade ein Ausbund christlicher Tugend war. Jetzt, da weltliche Instanzen Trumps Verhalten durchleuchten, verweigert Pence seine Mitarbeit: Er wehrt sich vor Gericht gegen eine Vorladung von Sonderermittler Jack Smith, der im Auftrag des Justizministeriums mehrere Untersuchungen gegen Trump führt.

Alles andere als Zufall waren auch Ort und Zeitpunkt seiner Äußerungen. Als früherer Radiomoderator hat Pence intime Kenntnis der Funktionsweise der Medien. Für die Kritik an Trump wählte er nun eine Veranstaltung, an der nur Journalisten in Chefpositionen teilnahmen, aber weder Kameras noch Mikrofone zugelassen waren. Seine Worte können damit in Redaktionsstuben Wirkung entfalten, ohne dass er Videoclips mit Gegenreaktionen von Trump-Fans in den sozialen Medien befürchten muss.

Offiziell ist seine Kandidatur noch nicht

Das Vorgehen passt zu einem, der von einer Außenseiterposition nach der republikanischen Präsidentschaftsnominierung greift. Als früherer Kongressabgeordneter und Gouverneur von Indiana sowie ehemaliger Vizepräsident erfüllt Pence alle Voraussetzungen für einen Kandidaten. Er präsentierte sich jedoch bisher als derart rechtschaffener Christ, dass er nicht mit einer fremden Frau in einem Raum allein gelassen werden wollte. Das lässt selbst in den puritanischen USA an seiner Mehrheitsfähigkeit zweifeln.

Bisher hat Pence seine Kandidatur nicht offiziell angekündigt. Das haben neben Trump nur Nikki Haley, die frühere Gouverneurin von South Carolina, sowie Tech-Unternehmer Vivek Ramaswamy getan. Aber wie mehrere andere hat Pence alles vorbereitet. Er sei viel nahbarer als sein Ruf, sagte nun einer seiner Berater zu Politico, ein Seitenhieb gegen Ron DeSantis, den Favoriten. Auch der bemüht sich gerade verbissen darum, volkstümlich und locker zu wirken auf der Tournee für seine Autobiografie.

Genau wie Mike Pence, dessen neues Buch den Titel "So wahr mir Gott helfe" trägt. Die nächsten Stopps seiner Tournee sind New Hampshire und Iowa, die Staaten mit den frühesten Vorwahlterminen. Die Bürgerversammlungen im christlich-konservativ geprägten Iowa sollen Pence an die Spitze des Kandidatenfelds katapultieren, so das Kalkül. Genau wie 2016 Ted Cruz. Bevor dieser Trump dann doch unterlag.

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