Migrationspolitik:Merkel rückt von EU-Asylregeln ab

Bei ihrem Besuch in Spanien nennt die Bundeskanzlerin das geltende Dublin-Abkommen über den Umgang mit Flüchtlingen "nicht funktionsfähig". Die FDP wirft ihr vor, dennoch daran festzuhalten.

Von Nico Fried und Thomas Urban

In deutlicheren Worten als bisher hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das geltende Dublin-Abkommen zur Regelung der europäischen Asylpolitik für faktisch gescheitert erklärt. Die Vereinbarung sei "nicht funktionsfähig", sagte Merkel während eines Besuches in Spanien. "Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen", so die Kanzlerin nach einem Treffen mit Ministerpräsident Pedro Sánchez in Sanlúcar de Barrameda. Dies entspreche aber nicht der Realität.

Vor allem aus der FDP erntete Merkel für ihre Äußerungen heftige Kritik. Die Liberalen hielten ihr vor, zu lange an dem Abkommen festgehalten zu haben, wonach Asylbewerber das Verfahren in dem Land abzuwarten haben, in dem sie erstmals das Territorium der Europäischen Union betreten. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff kommentierte die Äußerung der Kanzlerin zu Dublin auf Twitter: "Dass Merkel es erst jetzt offen sagt, zeigt nur, dass sie und ihre Innenminister vorher Realitäts- und Politikverweigerung betrieben haben." Die Generalsekretärin der Liberalen, Nicola Beer, erklärte, wenn Merkel der Meinung sei, dass Dublin nicht funktioniere, sei es ihre Pflicht, "neu zu verhandeln und das Abkommen zu ändern, anstatt die von ihr selbst herbeigeführten Zustände weiter auszusitzen".

Merkel und Sánchez verständigten sich auf gemeinsame Bemühungen, den Zuzug von Migranten aus Afrika nach Spanien einzuschränken. Die Kanzlerin erklärte, sie werde Madrid dabei unterstützen, mehr Geld aus Brüssel für den Schutz der Außengrenzen der EU sowie die Aufnahme von Migranten zu bekommen. Beide Regierungschefs zeigten sich einig darin, dass Marokko bei der Lösung der Probleme eine Schlüsselrolle zukomme. Die Regierung in Rabat hatte nicht verhehlt, dass sie eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel für ihren Beitrag zum "Kampf gegen die illegale Immigration" erwarte. Sánchez wollte sich allerdings nicht zu der Höhe der Summe äußern, die den Marokkanern zugesagt werden solle. Über das nordafrikanische Land waren in diesem Jahr bereits rund 28 000 Migranten auf spanisches Territorium gelangt: Sie überwanden die Grenzzäune um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla oder kamen in kleinen Booten an die Costa de la Luz, die südspanische Atlantikküste.

Am Wochenende trat ein zwischen Berlin und Madrid geschlossenes Abkommen in Kraft, nach dem an der deutschen Grenze aufgegriffene Migranten, die bereits in Spanien registriert worden sind, dorthin zurückkehren müssen. Solche Kontrollen finden bislang allerdings nur an der deutsch-österreichischen Grenze statt.

Die marokkanischen Behörden meldeten, dass bis zu 1800 Migranten aus den Ländern südlich der Sahara am Wochenende aus den Regionen um Ceuta und Melilla an "Orte mit besseren Lebensbedingungen" ins Landesinnere gebracht worden seien. Der Marokkanische Verband für Menschenrechte beklagte dagegen, dass Zeltlager in den Wäldern um Melilla zerstört worden seien. Die Polizei sei brutal vorgegangen und habe mit der Aktion Menschenrechte verletzt.

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