Migrationspolitik:Kanzleramt will Grüne im Asylstreit noch umstimmen

Werden die Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftstaaten erklärt? Weil sich die Grünen dagegen sperren, verhandelt Peter Altmaier. Winfried Kretschmann will erst am Freitag entscheiden.

Von Jan Bielicki, Josef Kelnberger und Susanne Höll, Berlin

Im Streit über die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten hofft die Bundesregierung darauf, die Grünen doch noch zum Einlenken bewegen zu können. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) kündigte am Dienstag in der ARD Gespräche mit den Bundesländern "in den nächsten Tagen und womöglich darüber hinaus" an. Eine Zustimmung der Länderkammer zu dem Vorhaben sei wichtig, so Altmaier, "als Signal an die Menschen in Deutschland, dass die Politik gemeinsam diese Herausforderung bewältigt". In den Gesprächen solle es darum gehen, dass einzelne Menschen, die Schutz benötigten, ihn auch künftig erhalten.

Am Widerstand der Grünen könnte das Gesetz, das die drei Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt, an diesem Freitag im Bundesrat scheitern. Um die verschärften Regeln für Asylbewerber aus Nordafrika durchzusetzen, müssten dort mindestens drei Landesregierungen, an denen grüne Minister beteiligt sind, zustimmen. Altmaier habe die Landesregierungen mit grüner Beteiligung darum gebeten, ihre Haltung vorerst nicht in konkreten Beschlüssen festzulegen, hieß es aus den Ländern.

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hat am Dienstag wegen des Gesprächsangebots aus Berlin dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann "freie Hand" gegeben. Er sei zuversichtlich, gemeinsam mit seinem Stellvertreter Thomas Strobl von der CDU eine einvernehmliche Lösung zu finden, sagte Kretschmann nach der Kabinettssitzung. Laut Koalitionsvertrag muss Kretschmann im Bundesrat zustimmen, falls die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Kretschmann fordert nun, es müsse sichergestellt werden, dass "vulnerable" - also gefährdete - Gruppen wie Homosexuelle und Journalisten weiterhin Anspruch auf eine genaue Prüfung haben. Dazu finden dem Vernehmen nach bereits Gespräche mit dem Kanzleramt statt. Thomas Strobl sagte, er vertraue auf die Verlässlichkeit Kretschmanns. Er erwartet ein Ja zu dem Gesetz.

Kretschmann bekannte sich grundsätzlich zur Notwendigkeit, für Asylbewerber aus bestimmten Herkunftsländern die Verfahren zu beschleunigen. Deshalb schlägt er ein Alternativmodell zu den umstrittenen "sicheren Herkunftsländern" vor. Verfahren sollten automatisch beschleunigt werden, wenn die Schutzquote von Asylsuchenden aus einem Land über einen bestimmten Zeitraum unter eine bestimmte Quote fällt; zugleich sollen auch Schutzmechanismen für besonders gefährdete Gruppen festgelegt werden. Die grün-schwarze Regierung will dazu eine Bundesratsinitiative einbringen.

Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz beschloss in ihrer Kabinettssitzung am Dienstag, sich wegen des Widerstands der Grünen im Bundesrat der Stimme zu enthalten. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen wird keinen Kabinettsbeschluss fassen, sich aber wegen des Neins der Grünen am Freitag ebenfalls enthalten.

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