Migrationspolitik:Hilferufe an die Ampel

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Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, wies die Kritik zurück: Sie finde es seltsam, wenn schon Anfang April gesagt werde, dass das Geld für dieses Jahr nicht ausreiche. (Foto: IMAGO/Christian Spicker/IMAGO/Christian Spicker)

Vertreter von Ländern und Kommunen werfen der Bundesinnenministerin vor, zu wenig zur Versorgung von Geflüchteten beizusteuern.

Von Daniel Brössler, Berlin

Vor dem für den 10. Mai angesetzten Flüchtlingsgipfel verschärft sich der Ton zwischen dem Bund sowie den Ländern und Kommunen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) "ein fatales Signal" vor, nachdem diese Forderungen nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Versorgung von immer mehr Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern als verfrüht zurückgewiesen hatte. Sie finde es seltsam, wenn schon Anfang April gesagt werde, dass das Geld für dieses Jahr nicht ausreichen werde, hatte Faeser der Funke-Mediengruppe gesagt.

Faeser verwies darauf, dass der Bund schon im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt und die Sozialleistungen für Menschen übernommen habe, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflohen sind. Für das laufende Jahr seien den Ländern und Kommunen außerdem frühzeitig 2,75 Milliarden Euro an zusätzlicher Unterstützung zugesagt worden.

"Wir als Länder sind uns parteiübergreifend einig, die Flüchtlingsausgaben hälftig zwischen Bund und Ländern aufzuteilen", sagte Wüst. Nach den jetzigen Beschlüssen liege die Beteiligung des Bundes an den Kosten in Nordrhein-Westfalen nur noch bei etwa 16 Prozent, 2016 habe sie dagegen noch deutlich mehr als das Doppelte umfasst. Die Kommunen leisteten Herausragendes bei Unterbringung, Integration, Betreuung und Bildung von Flüchtlingen. "Dass ihre Hilferufe von der Ampelregierung abgetan werden, ist überhaupt nicht nachvollziehbar und sorgt vor Ort für größtes Unverständnis", kritisierte er. Der Bund müsse sich zu seiner Verantwortung und einer fairen Verteilung der Kosten bekennen.

"Dann fühle ich mich wirklich nicht ernst genommen"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf Faeser Realitätsverweigerung vor. "Es ist offensichtlich, dass die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen für dieses Jahr nicht reicht. Da sind sich die Bundesländer und Kommunen vollkommen einig", sagte Herrmann.

Kritik an Faeser kam auch aus den Kommunen. "Wenn die Bundesinnenministerin meint, die Kommunen hätten doch keine Probleme und könnten noch gar nicht wissen, was noch alles auf sie zukommt, dann fühle ich mich wirklich nicht ernst genommen und fast schon veralbert", sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer dem Fernsehsender RTL.

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Die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern müsse dynamisch an die steigenden Flüchtlingszahlen angepasst werden, pauschale Kostenbeteiligungen reichten nicht aus, forderte Städtetags-Vizepräsident Burkhard Jung . Es fehle inzwischen an Wohnungen, Kita- und Schulplätzen und an Personal. Die derzeitige Beteiligung des Bundes basiere auf einer Vereinbarung vom November. "Mittlerweile ist klar, dass viel mehr Flüchtlinge bei uns Schutz suchen als damals angenommen", betonte Jung. Aus der Ukraine seien mittlerweile 1,1 Millionen Menschen registriert, auch die Zahl der Asylanträge aus anderen Ländern steige.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in einer Regierungserklärung Mitte März darauf verwiesen, dass der Bund "den allergrößten Teil" der Kosten für Unterkunft und Verpflegung der Flüchtlinge trage. Seiner Verantwortung werde der Bund gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden "auch weiterhin gerecht". Alle staatlichen Ebenen leisteten bei der Aufnahme der Menschen aus der Ukraine "Großartiges".

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