Globale Regeln:Was der UN-Migrationspakt besagt

Migranten im Hafen von Malaga

Über eine bessere Zusammenarbeit bei der Bewältigung internationaler Migration reden Vertreter der UN-Staaten schon seit Jahrzehnten.

(Foto: dpa)

Die internationale Vereinbarung ist verhandelt, Kanzlerin Merkel, die SPD und die CSU haben sich dafür ausgesprochen. Woran sich dennoch Kritik entzündet - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Jan Bielicki

In einem nagelneuen Konferenzzentrum vor den Toren der Altstadt von Marrakesch in Marokko werden am 10. und 11. Dezember etwa 5000 bis 6000 Menschen erwartet. Delegationen aus fast allen der 193 Staaten der Vereinten Nationen, dazu zahlreiche Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Einziges Ziel dieser UN-Konferenz: Die Diplomaten sollen den ausgehandelten Text eines "Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" annehmen - ein Dokument, das, je näher der Termin rückt, auf einmal in einigen europäischen Ländern und auch in Deutschland rege Diskussionen auslöst. Worum geht es? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie kam es zum UN-Migrationspakt?

Über eine bessere Zusammenarbeit bei der Bewältigung internationaler Migration reden Vertreter der UN-Staaten schon seit Jahrzehnten. Doch erst angesichts verstärkter Wanderungsbewegungen Richtung Europa einigten sich alle 193 UN-Mitglieder im Jahr 2016 darauf, zwei Dokumente auszuarbeiten: Das eine ist ein "Globaler Pakt für Flüchtlinge", im Kern ein unter dem Dach des Flüchtlingshilfswerks UNHCR entwickeltes Aktionsprogramm, das flüchtende Menschen und die von Flucht betroffenen Aufnahmeländer unterstützen soll. Das andere ist eben der von Vertretern der Einzelstaaten ausgehandelte "Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration".

Um wen geht es in dieser Vereinbarung?

Eben nicht nur um Flüchtlinge. Für den Schutz von Menschen auf der Flucht gibt es bereits völkerrechtlich bindende Regeln wie die Genfer Flüchtlingskonvention. Der Migrationspakt befasst sich mit Menschen, die aus allen möglichen Gründen auswandern oder ausgewandert sind - etwa um Arbeit und ein Auskommen zu finden. Weltweit sollen das nach UN-Angaben etwa 258 Millionen Männer, Frauen und Kinder sein - darunter beispielsweise auch mehr als drei Millionen Deutsche, die nicht in Deutschland leben.

Was genau steht in dem Pakt?

In seinem Kern formuliert das Dokument 23 Ziele, an denen sich eine "sichere, geordnete und reguläre Migration" orientieren soll. Das fängt damit an, korrekte Daten zu den Wanderungsbewegungen zu erfassen. Und es hört nicht damit auf, die Kosten für Überweisungen von Geld ins Heimatland zu senken. Im Wesentlichen zielt der Text in drei Richtungen: Die Staaten verpflichten sich darin, erstens möglichst zu verhindern, dass "Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen" Menschen überhaupt aus ihrer Heimat treiben. Zweitens geht es darum, "irreguläre Migration zu verhindern", also etwa bei der Grenzsicherung zusammenzuarbeiten, Schleuser und Menschenhändler zu bekämpfen, sichere und eindeutige Reisedokumente auszustellen, aber auch eine "sichere und würdevolle Rückkehr" möglich zu machen. Soll auch heißen: abgeschobene Staatsbürger wieder aufzunehmen. Und drittens betont das Dokument in vielen Punkten, dass auch Menschen, die aus- und einwandern, grundlegende Rechte haben: auf Information, auf rechtliches Gehör, auf Schutz vor Todesgefahr, Ausbeutung oder vor willkürlicher Haft, auf Zugang zu "Grundleistungen" - von Essen bis zur Gesundheitsversorgung. Und, einmal angekommen, auf Integration und Schutz vor Diskriminierung.

Woran entzündet sich die Kritik?

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz begründete die ablehnende Haltung seiner Regierung zum Pakt mit der "Gefahr, dass unsere souveräne Migrationspolitik untergraben wird". Vor allem rechtsgerichtete Regierungen und Parteien kritisieren, dass der Pakt zu sehr die Rechte der Migranten betone und damit womöglich weitere Wanderungsbewegungen befördern könnte - und die nationalen Regierungen dann nicht handeln könnten, weil sie an den Pakt gebunden seien.

Wie sehr bindet der Migrationspakt die einzelnen Regierungen?

Rechtlich gar nicht. "Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar", heißt es im Text. Der Pakt bekräftigt ausdrücklich "das souveräne Recht" der Länder, "ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen", sowie "ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln". "Kein Staat wird zu irgendetwas gezwungen", sagt die Erlanger Politologin Petra Bendel, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und Mitglied im Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Im Pakt stehe "nichts drin, was in den europäischen Staaten nicht bereits viel konkreter und rechtlich verbindlicher fixiert ist" - durch die Europäische Menschenrechtskonvention, EU-Richtlinien und nationale Gesetze. Bendel hält es auch für richtig, dass der Pakt Migration vor allem "als Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung" beschreibt und "eben nicht als Katastrophenszenario".

Ist der Migrationspakt also wirkungs- und bedeutungslos?

Das auch nicht. Immerhin ist es das erste Mal, dass sich die große Mehrheit der Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer auf so einen - wenn auch unverbindlichen - Regelkatalog einigen. "Ein globales Phänomen auch global zu behandeln, ist absolut notwendig", sagt der Konstanzer Völkerrechtler Daniel Thym. Er kritisiert allerdings die "blumige Diplomatensprache" einer Absichtserklärung, die sich in allzu viel zwar rechtlich unverbindlichem, doch konkret klingendem "Klein-Klein" ergehe: "Das lässt sich politisch leicht ausschlachten."

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