Migrationsbericht für 2012:Immer mehr kommen, wenige bleiben

Die Zahl der Einwanderer war 2012 auf dem höchsten Stand seit 1995. Mehr als eine Million Menschen sind dem Bundesamt für Migration zufolge nach Deutschland gezogen. 712.000 Menschen wanderten aus. Bemerkenswert ist der Anstieg von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern.

Von Markus C. Schulte von Drach

Die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren in der EU, die seit Januar gilt, hat in Deutschland zu einer heftigen Diskussion geführt: Es gibt die Befürchtung, dass aus diesen Ländern Arbeitslose einwandern, um hier Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Politiker und Vertreter einzelner Kommunen warnen, dass Deutschland es sich nicht leisten könne, solche Zuwanderer zu versorgen. Die Bundesregierung streitet mit der EU-Kommission darüber, wann Zuzügler tatsächlich mit staatlichen Leistungen versorgt werden müssen.

Vor dem Hintergrund der Diskussion über "Armutsmigration" wurde der neue Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit Spannung erwartet. Die Daten eignen sich für die Debatte allerdings nur bedingt, vor allem, weil sie sich auf das Jahr 2012 beziehen. Lediglich die Erfahrungen mit Zuwanderung aus Polen, nachdem die Freizügigkeit das EU-Land eingeführt wurde, sowie nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens könnten hier Hinweise auf die Zukunft geben.

Vor allem geht aus dem nun veröffentlichten Migrationsbericht hervor, dass die Zahl der registrierten Zuwanderer nach Deutschland 2012 auf 1,08 Millionen Menschen gestiegen ist - das ist der höchste Stand seit 1995. Unter den Zuzüglern waren fast 966.000 Ausländer. Diese Zahl ist etwa 15 Prozent höher als 2011.

Der größte Teil der Immigranten kam aus Europa, mit 623.000 stammten 58 Prozent aus EU-Mitgliedstaaten. Wie bereits seit 1996 kamen die meisten Menschen aus Polen (184.000). Auf den Plätzen zwei und drei liegen Rumänen (117.000) und Bulgaren (59.000), gefolgt von Ungarn (54.827). Deutlich zugenommen haben Zuzüge aus südeuropäischen Ländern, die besonders unter der Finanzkrise leiden. So ist die Zahl der Einwanderer aus Griechenland im Vergleich zu 2011 um 42 Prozent gestiegen, aus Italien kamen 37 Prozent mehr, aus Spanien 34 Prozent. Absolut liegen die Zahlen hier zwischen 35.000 und 45.000 Einwanderern.

Andererseits sind auch mehr Menschen aus Deutschland ausgewandert. 2011 waren es 680.000, im Jahre 2012 dann mit fast 712.000 fünf Prozent mehr. Vor allem Ausländer - 579.000 haben Deutschland verlassen.

Damit ist die Bevölkerung Deutschlands durch Immigranten netto um nur 369.000 Menschen gewachsen. Dieser "Wanderungsgewinn" war 32 Prozent größer als 2011.

Als Einwanderungsland nur Mittelfeld

Auf die Größe der Bevölkerung bezogen war die Zuwanderung nach Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - Daten von Eurostat zufolge - eher gering. Wie etwa das Handelsblatt berichtet, kamen 2011 hierzulande auf 1000 Bürger sechs Immigranten. In der Schweiz waren es 19 Menschen, in Norwegen immer noch 14. Auch nach Belgien, Österreich, Irland und Schweden wanderten, relativ zur Bevölkerungsgröße, deutlich mehr Menschen ein als nach Deutschland. Vergleichsdaten für 2012 liegen noch nicht vor.

Wie sich die Einführung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit auswirken könnte, darüber gibt das Beispiel Polen Aufschluss: So wuchs die Zahl der Zuzüge von 2010 auf 2011, als die Freizügigkeit eingeführt wurde, um mehr als ein Drittel, im Folgejahr nahm der Zuzug aus Polen jedoch nurmehr um sieben Prozent zu. Und mehr als halb so viele Polen wie 2011 nach Deutschland kamen, kehrten der Bundesrepublik wieder den Rücken. Die Zahl der zugezogenen Rumänen hat sich dem Institut zufolge seit dem EU-Beitritt des Landes 2006 verfünffacht, bei den Bulgaren sogar fast verachtfacht. Doch auch von diesen verließ deutlich mehr als die Hälfte Deutschland wieder.

Situation der Rumänen und Bulgaren

Details zu den Umständen, unter denen Rumänen und Bulgaren in Deutschland leben, sind im Migrationsbericht nicht zu finden. Beachtlich ist lediglich die Aufschlüsselung nach Ausländern, die 2012 einen Hochschulabschluss in der Bundesrepublik erworben haben: Hier kommt Bulgarien mit 1346 Absolventen an dritter Stelle, nur China und Russland sind noch weiter vorne.

Auch die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind hier interessant: Demnach waren "bis zur Jahresmitte 2013 rund 60 Prozent der Bulgaren und Rumänen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland erwerbstätig". Die Arbeitslosenquote lag bei 7,4 Prozent, berichtete das Institut weiter. Im Durchschnitt liegt diese Zahl in Deutschland mit 7,7 Prozent höher. Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger betrug in der Gruppe zehn Prozent.

Bemerkenswert ist der Anstieg von Fachkräften und Hochqualifizierten aus Ländern außerhalb der EU - insbesondere aus Indien, Kroatien, den USA und China seit 2009. Diese Zahl ist 2012 auf 27.000 gestiegen. Fachleute sind in der deutschen Wirtschaft so gefragt, dass bereits ein entsprechendes Zuwanderungsrecht gefordert wurde.

Eine starke Zunahme hat das Bundesinstitut für Migration bei der Zahl der Asylanträge festgestellt. Deren Zahl ist 2012 um 41 Prozent auf fast 65.000 gestiegen. Das sind die meisten innerhalb der EU. Zuletzt waren es vor allem Serben, Afghanen und Syrer, die in Deutschland Asyl beantragten. Neben Afghanen und Syrern hatten Iraker und Iraner die besten Aussichten auf Erfolg.

Da Einwanderer aus Drittstaaten nach dem Zweck ihres Aufenthalts befragt werden, konnte das Bundesamt feststellen, dass 2012 etwa ein Fünftel aus familiären Gründen nach Deutschland zog. 13 Prozent erhielten eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung, 16 Prozent kamen, um zu studieren, zu lernen oder zu sonstigen Ausbildungszwecken.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht in den Zahlen den Beleg dafür, dass Deutschland für Einwanderer aus ganz verschiedenen Gründen attraktiv sei. Insbesondere der Zuzug von Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU zeige, dass sich der Abbau von Hürden für Migranten auszahle. Auch betonte er die Bedeutung der Integration. Bei der seien beachtliche Fortschritte erzielt worden.

Mitarbeit: Benjamin Romberg.

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