Migration:Seehofer will Abschiebungen forcieren

Der Innenminister droht Flüchtlingshelfern mit Gefängnis, wenn sie vor Rückführungen warnen. Der SPD geht der Gesetzentwurf zu weit, zuerst sollten bestehende Regelungen angewendet werden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will abgelehnte Asylbewerber, die in Deutschland geduldet sind und ihre Rückführung behindern, mit verschärften Maßnahmen unter Druck setzen. Nach einem Gesetzentwurf, der am Donnerstag in die Ressortabstimmung gegangen ist, sollen Geflüchtete ihren Status als Geduldete verlieren, wenn sie nach Einschätzung der Behörden nicht ausreichend an der Klärung ihrer Identität mitwirken. Als Abschiebungsgrund soll nach Seehofers Plänen künftig gelten, dass ein Geflüchteter sich nicht ausreichend daran beteiligt, seinen Pass zu beschaffen.

Das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" will die Möglichkeit der Abschiebehaft erheblich ausweiten. Dazu soll ein neues Instrument geschaffen werden, die "erweiterte Vorbereitungshaft". Zudem soll Menschen, die Geflüchtete gezielt vor einer bevorstehenden Abschiebungen warnen oder diese verhindern, eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren drohen. Auch die Veröffentlichung individueller Informationen über geplante Abschiebungen soll strafbar werden.

Die Fachpolitiker der SPD im Bundestag, die seit Wochen erfolglos mit CDU und CSU über Abschiebungen verhandeln, reagierten ratlos auf Seehofers Pläne. Ein offenes Zerwürfnis wollte man jedoch zunächst vermeiden. "Ich halte es für wesentlich wichtiger, bestehende Vorschriften konsequent umzusetzen, als ständig neue Gesetze zu ersinnen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka. Wenn Seehofer dennoch gesetzliche Veränderungen vorschlage, müsse er "darlegen, wo es Regelungslücken gibt und wie diese geschlossen werden können".

Mathias Middelberg (CDU), innenpolitischer Unionssprecher im Bundestag, unterstützte Seehofer. "Jede dritte Abschiebung scheitert derzeit daran, dass der Betreffende untertaucht", sagte er. "Das wollen wir durch erleichterte Bedingungen für Abschiebehaft verhindern." Scharfe Kritik übte der Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl, Günter Burkhardt. Der Gesetzentwurf sehe die "uferlose Ausdehnung von Haftgründen" vor, die fast jeden abgelehnten Asylbewerber treffen könne, sagte er der Agentur AFP. Es könne "exzessiv ausgelegt werden", was eine Mitwirkungsverweigerung bei der Passbeschaffung bedeute.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums leben 180 000 ausreisepflichtige Asylbewerber mit Duldung in Deutschland. Ein Großteil habe keinen Pass. Um mutwillige Identitätsverschleierung von echten humanitären Fällen zu unterscheiden, wolle man nun Menschen entschlossener festsetzen und abschieben.

Als Ausweisungsgrund können demnach fehlende Pässe gelten oder verpasste Termine. Während bisher die Ausländerbehörde belegen muss, dass falsche Angaben zur Identität gemacht wurden, sollen künftig Asylbewerber die Richtigkeit ihrer Angaben belegen. Das wäre eine Umkehr der Beweislast. Entgegen bisheriger Rechtsprechung sollen Abschiebehäftlinge zudem vorübergehend in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden, wenn auch räumlich getrennt von Strafgefangenen. Straftäter und Gefährder, die nicht abgeschoben werden können, sollen mit schärferen Auflagen belegt werden.

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