Migration:Schwieriges Kirchenasyl

Gemeinden können Flüchtlingen, denen die Abschiebung droht, Schutz gewähren. Aber die vereinbarte Regelung mit den Behörden halten nicht alle ein.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Spitzen der katholischen und der evangelischen Kirche haben an ihre Gemeinden appelliert, bei der Beantragung von Kirchenasyl staatliche Vorgaben einzuhalten. Wie bereits im vergangenen Jahr bekannt wurde, entsprach 2017 nur etwa jeder zweite Antrag auf Kirchenasyl den Verfahrensregeln. Gleichzeitig kritisierten Kirchenvertreter aber auch eine Regelung, mit der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seit 1. August das Kirchenasyl erheblich erschwert hat.

"Die Tradition des Kirchenasyls ermöglicht es, den Behörden Einzelfälle zur erneuten Prüfung vorzulegen und auf diese Weise humanitäre Härten zu verhindern", sagte Prälat Karl Jüsten, Leiter des Büros der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin. Voraussetzung des Kirchasyls sei "gutes Einvernehmen mit den zuständigen staatlichen Stellen". Daher sei es der Deutschen Bischofskonferenz "ein Anliegen", dass Gemeinden und Ordensgemeinschaften "die mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vereinbarte Vorgehensweise beachten".

Will eine Gemeinde einen Flüchtling vor Abschiebung schützen, kann sie Kirchenasyl beantragen. Formal ist das rechtswidrig. Es wird aber toleriert, wenn die Gemeinde zuerst eine kirchliche Kontaktperson konsultiert. Zudem muss sie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zeitnah ein Dossier vorlegen, das einen Härtefall begründet. 2017 wurde bekannt, dass dies nur in etwa der Hälfte der Fälle passiert. Oft sind Helfer überfordert oder frustriert. Bei manchen Dublin-Fällen wurde auch auf Zeit gespielt, weil Deutschland nach sechs Monaten für den Asylantrag zuständig wird. Der Flüchtling kann dann nicht mehr in sein EU-Erstland abgeschoben werden. Nach Aussagen des Bamf nahmen die Regelverstöße der Gemeinden zuletzt allerdings ab. "Der Trend ist rückläufig", sagte ein Bamf-Sprecher. Belastbare Zahlen für 2018 gebe es noch nicht.

"Wir bedauern, dass es den Gemeinden nicht in allen Kirchenasylfällen gelingt, zeitnah ein vollständiges Dossier beim Bamf einzureichen", sagte der Berliner Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Dutzmann. Die Erstellung eines Dossiers sei "häufig schwierig", zumal Helfer oft "juristische und medizinische Laien" seien.

In Kirchenkreisen ist man sich einig, dass die Dossiers möglichst fristgemäß vorzulegen sind. Nicht einverstanden sei man dagegen mit der Haltung von Innenminister Seehofer, so Prälat Jüsten. Seit dem 1. August gilt Seehofers Erlass, wonach ein Flüchtling bei Verfahrensfehlern 18 Monate von der Gemeinde zu versorgen ist, er gilt dann als "flüchtig". Bisher blieb er maximal sechs Monate. Viele Gemeinden befürchten nun Überforderung. Die katholische Kirche sehe die Verlängerung "kritisch", sagte Jüsten. Beim Kirchenasyl sei Behörden jederzeit bekannt, wo der Schutzsuchende sich aufhalte. Es könne also "nicht davon die Rede sei, dass der Asylsuchende flüchtig" sei. Im Oktober erörtern Kirchen und Behörden das Thema erneut.

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