Migration:Nur beschränkt willig

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Sechs EU-Länder wollen Flüchtlingskinder aufnehmen. Allerdings nicht mehr so viele, wie es anfangs hieß.

Von Karoline Meta Beisel und Constanze von Bullion, Berlin

Soll man sie reinlassen? Flüchtlingskinder, die auf dem Marktplatz von Edirne in der Türkei ausharren. (Foto: Ozan Kose/AFP)

Er betrachtet das Vorhaben als eine Art Gesamtkunstwerk: hier humanitäre Hilfe für erwünschte Flüchtlingsgruppen, dort Härte gegen Migranten ohne Bleiberecht. Wieder und wieder hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) so seine eigene Migrationspolitik beschrieben. Nun sollen einige Hundert Flüchtlingskinder aus griechischen Camps nach Deutschland geholt werden, auch mit Eltern. "Wir haben eine Lösung, mit der ich sehr zufrieden bin", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. "Ich bin sehr dankbar, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich nun um die Zustimmung weiterer Staaten bemühen will." Gleichzeitig gingen die Bemühungen weiter, an der griechisch-türkischen Grenze wieder "Stabilität und Ordnung" herzustellen.

In der Nacht zum Montag hatten die Spitzen der Koalition sich darauf verständigt, 1000 bis 1500 Kinder aus griechischen Flüchtlingscamps nach Europa einreisen zu lassen. Dabei soll es vor allem um Kinder gehen, die entweder eine schwere Erkrankung haben oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre sind. Offenbar gibt es darunter auch viele Mädchen. Deutschland will bei der Hilfsaktion nur im Rahmen einer "Koalition der Willigen" handeln, also gemeinsam mit einzelnen, aufnahmebereiten EU-Partnern.

Das Modell ähnelt jenem, das Seehofer vergangenen Herbst auf Malta angestoßen hatte, zusammen mit Frankreich. Damals ging es um die Verteilung von Schiffbrüchigen, die vor Italien oder Malta gerettet werden. Deutschland stimmte zu, ein Viertel der Geflüchteten aufzunehmen, Frankreich ebenso. Nun könnte das Modell auf Geflüchtete auf griechischen Inseln übertragen werden, obwohl es eine gemeinsame europäische Regelung zur Verteilung dieser Menschen innerhalb der EU noch nicht gibt.

Vor wenigen Tagen war von 5000 Schutzbedürftigen die Rede. Jetzt nur noch von 1500

Am Montag nahm die "Koalition der Willigen" in Brüssel erste Form an. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, neben Deutschland seien auch Frankreich, Portugal, Luxemburg und Finnland bereit, Flüchtlingskinder aus Griechenland zu übernehmen. Auch Kroatien, das gerade die Präsidentschaft im EU-Ministerrat innehat, will mitmachen. Damit stehen mindestens sechs Länder für eine Hilfsaktion bereit, weitere könnten hinzukommen. Von der Leyen hat Innenkommissarin Ylva Johansson gebeten, sie zu koordinieren. Zudem werde sie am Donnerstag erneut nach Griechenland reisen. Die Hilfsaktion für Kinder, so von der Leyen weiter, dürfe aber nur ein erster Schritt sein. Nach Ostern wolle sie bereits angekündigte Vorschläge für ein neues europäisches Asylsystem vorlegen.

Was die Hilfsbereitschaft europäischer Nachbarn befördert haben dürfte, ist die Tatsache, dass Berlin die Zahlen der zu übernehmenden Kinder deutlich nach unten korrigiert hat. Vor wenigen Tagen hatte Bundesinnenminister Seehofer noch erklärt, es gehe um 5000 besonders schutzbedürftige Kinder in griechischen Camps. Nähme Deutschland ein Viertel auf - analog zur Seenotrettung - wären das 1250. Seit Montag ist aber von 1000 bis 1500 Kindern die Rede, die an alle aufnahmebereiten Länder verteilt werden sollen - insgesamt also nur noch 20 bis 30 Prozent der ursprünglich genannten Zahl. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Hilfsaktion hielt man sich in Berlin bedeckt. Voraussetzung einer Übernahme von Kindern sei es, "dass wir an den europäischen Außengrenzen Ordnung herstellen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. Details seien in Gesprächen mit den EU-Partnern zu klären. Dies sei "keine Frage von Monaten, sondern eher von Wochen". Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte "zeitnahe Lösungen in Europa" an.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nannte die Hilfsaktion einen "achtbaren Erfolg". Einigen Vertretern der SPD hingegen sind die Ankündigungen bisher zu vage geblieben. "Sollte es keine kurzfristige Lösung geben, darf auch Deutschland nicht davor zurückschrecken, eigene Schritte zu gehen", erklärte die AG Migration und Vielfalt in der SPD. Auch dürfe "das unmenschliche Handeln Griechenlands" an der Grenze zur Türkei nicht länger geduldet werden.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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