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Migration - Mainz:Dreyer über Situation im Flüchtlingslager Moria

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Mainz (dpa/lrs) - Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria ist Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag mit dem Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert zusammengetroffen, der sich für eine sofortige Aufnahme der dort gestrandeten Menschen einsetzt. Trabert sagte, er wolle der rheinland-pfälzischen Regierungschefin den Fall eines 26-jährigen Syrers mit einer Querschnittlähmung vorstellen. "Ich werde von Abdulkarim berichten und einfach versuchen, ob es nicht möglich ist, diesen jungen Mann hierherzuholen", sagte Trabert vor dem Gespräch in Mainz. "Ich habe Angst, dass er jetzt sterben wird in diesem Chaos."

Der auf der Flucht verletzte Abdulkarim stehe exemplarisch für die vielen Flüchtlinge von Moria, die mit schweren körperlichen Behinderungen besonders gefährdet seien, sagte Trabert, der vom Deutschen Hochschulverband zum Hochschullehrer des Jahres 2020 ernannt wurde. Nach einem Besuch in Moria im August schätze er, dass 30 bis 40 Prozent der Geflüchteten körperbehindert seien.

Von der Landesregierung in Mainz fordert der Mediziner auch eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, die Aufnahme von Flüchtlingen durch einzelne Bundesländer zu ermöglichen. Die Haltung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Außenminister Heiko Maas (SPD), nach dem Brand von Moria komme es auf eine europäische Lösung an, könne er nicht nachvollziehen, sagte Trabert und fügte hinzu: "Ich bin Notarzt, da liegt jemand verletzt auf dem Boden und es wird gesagt, wir helfen nur, wenn andere mithelfen."

Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) forderte am Donnerstag die Bundesregierung auf, in einem Sofortprogramm mindestens 5000 Geflüchtete aufzunehmen - nach dem Königsteiner Schlüssel entfielen dann 250 Menschen auf Rheinland-Pfalz. "Im Umgang mit diesem unbeschreiblichen Elend wird sich zeigen, ob Europa und auch Deutschland noch ein Gewissen haben", erklärte Spiegel.

Die AfD wandte sich gegen die Aufnahme von Menschen aus Moria. Dies "wäre ein fatales Zeichen nach Außen und wohl erst der Anfang weiterer Aufnahmewellen", schrieb der migrationspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Matthias Joa. Stattdessen solle die EU "die Situation vor Ort mit Soforthilfen verbessern und finanzielle Unterstützung für Heimatrückkehrer bereitstellen".

Einen EU-Sondergipfel forderte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Christian Baldauf. "Die EU-Kommission muss hier umgehend tätig werden." Die Situation der Flüchtlinge sei eines der größten Probleme der Gegenwart. "Rheinland-Pfalz und die anderen Bundesländer sind zu klein, um dieses Problem zu lösen", sagte der christdemokratische Politiker. "Im Übrigen kann das die Bundesrepublik alleine auch nicht." Baldauf wandte sich gegen "symbolische Hilfsaktionen", die dem Problem nicht gerecht und "nur das eigene Gewissen beruhigen" würden.

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