Mehr als jede fünfte Ärztin und jeder fünfte Arzt, die in Deutschland arbeiten, sind im Ausland geboren - und sogar fast jede dritte Altenpflegerin. Und nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sehr deutsche Krankenhäuser, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime auf zugewanderte Fachkräfte angewiesen sind, Tendenz stark zunehmend. In Zeiten des Pflegenotstands setzen die Träger des deutschen Gesundheitswesens immer mehr darauf, ihr Personal aus anderen Ländern zu holen. Doch auch dabei hakt es, wie aus dem neuen Jahresgutachten hervorgeht, das der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) am Dienstag veröffentlicht hat.
"Ohne Zugewanderte stünde unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps", sagt die SVR-Vorsitzende Petra Bendel, Migrationsforscherin an der Universität Erlangen-Nürnberg. Doch obwohl die Bundesregierung schon unter Kanzlerin Angela Merkel längst die gesetzlichen Grundlagen für eine vereinfachte Zuwanderung von dringend gesuchten Fachkräften geschaffen hat, sieht ihr wichtigstes Beratungsgremium in Migrationsfragen oft immer noch eine zu hohe Hürde vor einem Job in einem deutschen Krankenhaus oder Pflegeheim stehen: die föderale Bürokratie der Bundesrepublik.
Diese schlägt vor allem dort zu, wo es um die Anerkennung der Berufsabschlüsse geht. Das Problem: Um hier arbeiten zu können, müssen zugewanderte Ärzte oder Pflegekräfte nachweisen, dass ihre Berufsausbildung deutschen Standards entspricht. Wenn nicht, müssen sie die Qualifikationen nachholen, die ihnen fehlen.
Dieser Prozess der Anerkennung sei aber "sehr komplex", "langwierig" und "schwer zu durchschauen", monieren die Sachverständigen. Denn zuständig dafür sind die Bundesländer und dort oft, je nach Land, sehr unterschiedliche Behörden, die bisweilen sehr unterschiedliche Anforderungen stellen und auch personell nicht so ausgestattet sind, dass sie die gesetzlich geforderte Verfahrensdauer von vier Monaten einhalten können. Die Gutachter schlagen daher vor, die Kompetenzen bei nur jeweils einer Anlaufstelle pro Bundesland zu bündeln und die nötige Arbeit unter den Bundesländern aufzuteilen.
56 000 ausländische Ärzte arbeiten in Deutschland
Einfache Verfahren sind wichtig, weil viele Industrieländer gerade um Fachkräfte im Gesundheitswesen buhlen. "Wir stehen in einem internationalen Wettbewerb", sagt Bendel. Wie stark die Bedeutung zugewanderter Fachkräfte im deutschen Gesundheitssystem zunimmt, belegen die Zahlen, die der SVR zusammengetragen hat. Danach waren 2019 etwa 30 Prozent der Altenpfleger, 27 Prozent der Ärzte und Zahnärzte, 23 Prozent der Praxishilfen und 21 Prozent der Krankenpflegekräfte Menschen mit Migrationshintergrund. Zum Vergleich: Unter allen Erwerbstätigen sind es knapp 25 Prozent. Vier von fünf der zugewanderten Gesundheitsfachkräfte sind Frauen.
Und es werden mehr: So arbeiteten 2020 etwa 56 000 ausländische Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, zehn Jahre zuvor waren es erst knapp 22 000. Die größte Gruppe unter diesen ausländischen Medizinern sind heute die inzwischen fast 5000 syrischen Ärzte. Nicht ganz so steil, aber immer noch erheblich steigt der Ausländeranteil in anderen Gesundheitsberufen: So waren 2020 etwa 118 000 Krankenpflegerinnen und 100 000 Altenpflegerinnen mit ausländischem Pass in Deutschland beschäftigt, in nur zehn Jahren ein Plus von 43 beziehungsweise 35 Prozent. Die meisten von ihnen kommen aus Ost- und Südosteuropa, immer mehr auch aus asiatischen Ländern wie Vietnam und den Philippinen.
So unverzichtbar und, wie die Sachverständigen betonen, "systemrelevant" die zugewanderten Fachkräfte für das deutsche Gesundheitswesen sind, hinterlassen sie in der Heimat oft große Lücken. Länder wie Rumänien haben inzwischen auch mit einem Ärzte- und Pflegekräftemangel zu kämpfen, weil so viele der im Land ausgebildeten Fachleute in besser zahlenden Teilen Europas arbeiten. Migrationsforscherin Bendel und ihre Mitgutachter plädieren daher für "Fairness und Transparenz" bei der Anwerbung - etwa dadurch, dass nicht fertige Fachkräfte angeworben werden, sondern junge Menschen, die dann erst hier ihre Ausbildung machen.
Mehr Sensibilität für Vielfalt in den Kliniken, Praxen und Heimen "kommt allen zugute", sagt Bendel - denn auch die Patienten sind ja eine sehr vielfältige Klientel. An der Offenheit des deutschen Gesundheitswesens haben die Gutachter wenig zu kritisieren. Nur 0,3 Prozent der Menschen, die hier ohne deutschen Pass leben, sind nicht krankenversichert. Eine Ausnahme sind Ausländer ohne legalen Aufenthaltsstatus, die oft den Kontakt zu medizinischen Helfern aus Furcht davor meiden, an die Ausländerbehörden gemeldet zu werden. Die Sachverständigen schlagen vor, Kliniken und Arztpraxen - ähnlich wie heute schon Schulen - von einer solchen Meldepflicht auszunehmen.