Studie:Migranten willkommen - aber nur die angepassten
Lesezeit: 2 Min.
Immer mehr Deutsche haben Vorbehalte gegenüber einer Beibehaltung kultureller Eigenheiten von Zuwanderern, zeigt eine Studie. Und eine wachsende Gruppe verlangt Vorrechte für Alteingesessene.
Beim Konfliktthema Zuwanderung sinkt einer Studie zufolge der Anteil der Menschen in Deutschland, die Integration für den richtigen Weg halten. "Integrationsfeindliche" Einstellungen - also Fremden- und Muslimfeindlichkeit sowie die Abwertung von Geflüchteten - haben 2020 zugenommen. Das geht aus der repräsentativen Langzeitanalyse "ZuGleich" (Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit) hervor, die Forscher der Universität Bielefeld und die Stiftung Mercator am Montag vorstellten.
Nur noch 48 Prozent der Bevölkerung befürworten demnach Integration, wollen also Eingewanderten ihre kulturelle Identität weiter zugestehen und sie zugleich an der Gesellschaft hierzulande teilhaben lassen. Die Zustimmung zu Integration ist seit der ersten "ZuGleich"-Erhebung von 2014 gesunken. Damals hatten 60 Prozent Zuspruch geäußert.
Ein knappes Drittel verlangt von den Migranten eine Assimilation unter Aufgabe kultureller Besonderheiten. Weitere zehn Prozent sprechen Zugewanderten ihre eigene kulturelle Identität zwar nicht ab, wollen sie aber in Deutschland nicht teilhaben lassen. Und ebenfalls jeder Zehnte verwehrt Zugewanderten sowohl den Erhalt der eigenen Identität als auch gesellschaftliche Teilhabe.
Welche Kriterien müssen Zugewanderte nach Ansicht der Befragten erfüllen, um dazuzugehören? Vor allem sollen sie Deutsch sprechen (94 Prozent), politische Institutionen und Gesetze achten (93 Prozent) und arbeiten (86 Prozent). Weniger bedeutsam waren Eigenschaften wie "Christ sein" mit 27 Prozent. 2020 ist es vor allem die politische Mitte, die diese Forderungen an Zugewanderte stellt.
Immer mehr vermeintlich Eingesessene verlangen Vorrechte
Im Vergleich zu 2014 legten die Bürger die Messlatte für die Integration insgesamt höher, betonte Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. Integration verlange aber Bemühungen von allen, auch den Eingesessenen, sagte er. Die Achtung der kulturellen Eigenschaften von Hinzugekommenen und die Anerkennung einer Gleichwertigkeit seien zentral für Integration. Hier hapere es aber deutlich.
Aus Sicht der Studienautoren "erschreckend": Eine wachsende Gruppe verlange Vorrechte für sich als vermeintlich Etablierte. Gut 38 Prozent stimmten der Aussage zu: "Wer in Deutschland neu ist oder später hinzukommt, soll sich mit weniger zufriedengeben." Man habe eine "Kultur der Abwehr" ausgemacht und steigende Werte gemessen bei der Abwertung von Geflüchteten (28 Prozent) und bei Muslimfeindlichkeit, die bei gut jedem dritten Befragten zutage getreten sei. Bei etwa 30 Prozent sei von einer fremdenfeindlichen Haltung auszugehen. So sind 40 Prozent der Auffassung, es lebten zu viele Migranten in Deutschland. Jeder Vierte sagt, die muslimische Kultur habe einen "gefährlichen Einfluss" auf die deutsche Kultur.
Allerdings verzeichnet die Studie auch einen positiven Trend. So stimmte mit 55 Prozent erstmals über die Hälfte der Befragten der sogenannten Willkommenskultur zu - zwischen 2014 und 2018 hatte der Wert jeweils bei oder unter 40 Prozent gelegen.
Für die Studie zu Einstellungen zu Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit wurden den Angaben zufolge zwischen November 2020 und Januar 2021 insgesamt 2005 Menschen telefonisch befragt. 71 Prozent davon seien in Deutschland geboren, 32 Prozent (646 Personen) hätten selbst eine Einwanderungsgeschichte, hieß es. Für die von der Essener Stiftung Mercator geförderte Langzeitstudie werden seit 2014 alle zwei Jahre neue Daten erhoben.