Während in Berlin noch die Debatte über Vorschläge der Union tobt, Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen, geschieht das dort bereits in großem Ausmaß. Im ersten Halbjahr 2024 hat die Bundespolizei mehr als die Hälfte der Menschen, die sie bei der unerlaubten Einreise aufgriff, wieder in die Nachbarländer zurückgeschickt – ein dramatischer Anstieg verglichen mit dem Vorjahr. 2023 hatte die Bundespolizei lediglich knapp 28 Prozent der unerlaubt Einreisenden zurückgewiesen.
Das geht aus Zahlen hervor, mit denen das Bundesinnenministerium eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Clara Bünger beantwortete und die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach registrierten die Behörden an den deutschen Grenzen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 42 307 unerlaubt Einreisende, 21 661 von ihnen wurden zurückgewiesen. Im Jahr 2023 hatte die Bundespolizei noch fast 128 000 unerlaubte Grenzgänger aufgegriffen und 36 000 von ihnen zurückgewiesen.
Wer um Asyl bittet, darf nicht zurückgewiesen werden
Besonders drastisch stieg der Anteil der Zurückgewiesenen an den Grenzen zu Polen und Tschechien. An der polnischen Grenze hatten die Polizisten 2023 lediglich etwa fünf, an der tschechischen nur gut drei Prozent der Aufgegriffenen zurückgewiesen. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 59 Prozent nach Polen und 47 Prozent nach Tschechien zurückgeschickt. Nur bei 7,9 Prozent der Aufgegriffenen erwies der Blick in die europäische Fingerabdruckdatei Eurodac, dass sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert waren.
Reisende, die nicht imstande sind, die nötigen Ausweispapiere und Visa vorzuzeigen, können von den Grenzern zurückgewiesen werden – allerdings nicht, wenn sie um Asyl bitten. Asylsuchende dürfen einreisen, damit ihr Gesuch hier geprüft wird. Allerdings haben laut Innenministeriums deutlich weniger Menschen an den Grenzen um Asyl gebeten. Nahmen die Behörden 2023 noch bei 45 Prozent der Aufgegriffenen ein Asylgesuch auf, taten sie das im ersten Halbjahr 2024 nur bei 23 Prozent. An der Grenze zu Tschechien ging diese Zahl besonders stark zurück. 2023 baten hier noch 9414 Einreisende um Asyl, von Januar bis Juni 2024 waren es nur noch 261.
Woran das liegt? Es sei „nicht erklärlich“, weshalb nach Einführung von Binnengrenzkontrollen die Zahl der Asylgesuche „angeblich“ drastisch absinke, meint die Linken-Abgeordnete Bünger. Sie spricht von „rechtswidrigen Zurückweisungen“ und äußert den Verdacht, dass Polizisten solche Asylgesuche öfter „überhören“ könnten. Das Innenministerium weist das als „Unterstellung“ und „mit Nachdruck“ zurück.