Migration - Freiburg im Breisgau:Einigung auf Abschiebestopp für langjährig Geduldete

Migration - Freiburg im Breisgau: Baden-Württembergs Migrations- und Justizministerin Marion Gentges (CDU) gibt ein Interview. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild
Baden-Württembergs Migrations- und Justizministerin Marion Gentges (CDU) gibt ein Interview. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stuttgart/Freiburg (dpa/lsw) - Ausländer, die nach den neuen Regeln des Bundes voraussichtlich eine Bleibeperspektive in Deutschland haben, werden ab sofort aus Baden-Württemberg nicht mehr abgeschoben. Darauf haben sich Grüne und CDU am Dienstag verständigt, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. "Die Landesregierung ist sich darin einig, dass Menschen, die in wenigen Wochen nach Einführung des geplanten Chancen-Aufenthaltsrechts ein Bleiberecht erhalten, nicht mehr abgeschoben werden", teilte das CDU-geführte Migrationsministerium am Dienstag in Stuttgart mit. Schätzungen zufolge geht es um etwa 17.000 gut integrierte Ausländer im Südwesten, die sich seit Jahren von Duldung zu Duldung hangeln.

Die Fraktionen von Grünen und CDU beauftragten das Ministerium nun zu prüfen, wie der faktische Abschiebestopp praktisch umgesetzt werden kann. "Inwieweit für die Umsetzung weitere Regelungen geschaffen werden müssen, die über die bestehende Rechtslage, insbesondere den bestehenden Bleiberechtserlass hinausgehen, wird derzeit geprüft", erklärte ein Sprecher des Ressorts. Der Erlass war im Juli in Kraft getreten und habe bereits für gut integrierte Flüchtlinge bessere Bleibeperspektiven geschaffen.

In der Koalition liefen seit einiger Zeit Gespräche darüber, wie man verhindern könne, dass solche Menschen vor Beginn der Bundesregelung noch das Land verlassen müssen. Pro Asyl, die Südwest-SPD und die Grüne Jugend hatten schon vor Wochen gefordert, das Land müsse sofort einen Abschiebestopp verhängen. Am Dienstag kam dann wegen einer Aussage von Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) Bewegung in die Verhandlungen der Koalition.

Am Rande der auswärtigen Kabinettssitzung in Freiburg erklärte Gentges auf Nachfrage der dpa, ein vorzeitiger Abschiebestopp sei nicht vorgesehen. "Wir haben uns in Baden-Württemberg in der Koalition verständigt, dass wir nicht einen Vorgriffserlass machen." Das führte in den Fraktionen von Grünen und CDU zu Aufregung, weil es sich wie eine Vorfestlegung anhörte. Schließlich gab es doch die grundsätzliche Einigung auf den Abschiebestopp. Später erklärte das Ministerium, Gentges habe nur die bis dahin gültige Rechtslage darstellen wollen.

Hintergrund der ganzen Diskussion ist das Chancen-Aufenthaltsrecht, das das Bundeskabinett schon im Juli beschlossen hat. Es soll für Menschen gelten, die zum Stichtag 1. Januar 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland gelebt haben und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen. Ausländern, die seit Jahren ohne gesicherten Aufenthaltstitel in Deutschland leben, soll so eine langfristige Bleibeperspektive eröffnet werden.

Bevor das neue Aufenthaltsrecht in Kraft treten kann, muss noch der Bundestag zustimmen - geplant ist, dass dies in der kommenden Woche oder zwischen dem 9. und 11. November geschieht. Aus Sicht von Pro Asyl gilt die neue Regelung dann voraussichtlich ab Dezember dieses Jahres.

Die Union im Bund hatte den Gesetzentwurf der Ampel damals heftig kritisiert und erklärt, er schaffe zusätzliche Anreize, illegal nach Deutschland einzuwandern. Im Entwurf heißt es aber auch: Wer mehrfach falsche Angaben gemacht oder über seine Identität getäuscht hat, um seine Abschiebung zu verhindern, soll von der Möglichkeit nicht profitieren. Auch Straftäter sind ausgenommen. Diejenigen, die von dem neuen Paragrafen im Aufenthaltsrecht profitieren sollen, haben laut Entwurf drei Jahre Zeit, um eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen.

Der neue Aufenthaltstitel soll für ein Jahr gelten. In dieser Zeit erhält der Ausländer Gelegenheit, die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen: das sind vor allem die Sicherung des Lebensunterhalts, Deutschkenntnisse und der Identitätsnachweis. Gelingt ihm das nicht, rutscht er entweder zurück in die Duldung oder wird - falls dafür Voraussetzungen vorliegen sollten - abgeschoben. Und noch eine Änderung beinhaltet der Entwurf: Bislang konnten gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende im Alter von bis zu 21 Jahren nach vier Jahren Aufenthalt ein Bleiberecht erhalten. Das soll künftig schon nach drei Jahren möglich sein. Die Altersgrenze steigt zudem auf 27 Jahre.

© dpa-infocom, dpa:221011-99-86334/6

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