Migration - Berlin:Stübgen sieht Asylrecht skeptisch: Widerspruch in Koalition

Migration - Berlin: Dirk Stettner (CDU), Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, spricht bei einem Interview. Foto: Jens Kalaene/dpa
Dirk Stettner (CDU), Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, spricht bei einem Interview. Foto: Jens Kalaene/dpa (Foto: dpa)

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Potsdam (dpa/bb) - Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen sieht Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen das individuelle Recht auf Asyl in Deutschland kritisch. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Erfahrungen der Nazizeit sei es durchaus richtig gewesen. In den vergangenen 70 Jahren habe es jedoch massive Veränderungen der internationalen Fluchtbewegungen gegeben, sagte der CDU-Politiker und stellvertretende Ministerpräsident am Dienstag dem Deutschlandfunk. Der Individualanspruch sei nicht mehr die richtige Antwort.

"Wir haben im Moment im Artikel 16 zwei Zugangsstrukturen", sagte Stübgen. "Es gibt den Individualanspruch und es gibt den Institutsanspruch über die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention." Der Individualanspruch als solcher sei überflüssig, so der Innenpolitiker.

"In diesem Zusammenhang wäre es durchaus möglich, dass wir als Deutschland in Zusammenarbeit zum Beispiel mit dem UNHCR Flüchtlinge aufnehmen", argumentierte Stübgen. "Wir haben so ein kleines Programm in Brandenburg - das funktioniert sehr gut - mit Jordanien, wo wir über den UNHCR bis zu 200 Flüchtlinge aufnehmen", sagte der Innenminister. "Damit verhindert man auch die mörderische Reise übers Mittelmeer oder über die Balkanroute oder über Moskau und Minsk."

Laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Knut Abraham (CDU) ist die Zahl der illegalen Einreisen über die polnisch-deutsche Grenze nach Brandenburg im Sommer gestiegen. Demnach kamen im Juni 1057 Personen, im Juli insgesamt 1025 und im August 1518 Menschen.

Von seinen Koalitionspartnern SPD und Grüne bekam Stübgen am Dienstag heftigen Widerspruch. SPD-Fraktionschef Daniel Keller (SPD) sagte, es wäre besser, wenn der Innenminister seine eigenen Aufgaben voranbringe wie die Rückführung abgelehnter Asylbewerber und den Kampf gegen Schleuser. "Ich bin der Meinung, dass sich das deutliche "Rechtsblinken" der CDU nicht auszahlt." Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke verwies Stübgen kühl auf das Grundgesetz: "Wir erwarten, dass der Innenminister das Grundgesetz verteidigt und dazu gehört das Grundrecht auf Asyl."

Stübgen fordert bereits seit Monaten vergeblich, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse wie an der bayerisch-österreichischen Grenze auch an der deutsch-polnischen Grenze stationäre Kontrollen ermöglichen. Dieser Forderung schloss sich am Dienstag auch der Landkreis Spree-Neiße an. Derzeit werden im Kreis in der Grenzregion zu Polen mehrfach am Tag Migranten von der Bundespolizei aufgegriffen.

"Die Lage verschärft sich zusehends und die ungeregelten Zuzüge bringen die Systeme und Ressourcen auch in der Kreisverwaltung an das Limit der Handlungsfähigkeit", sagte Landrat Harald Altekrüger (CDU). Vor allem Kindergärten, Schulen, die medizinische Versorgung und Sprachkurse hätten ihre Kapazitätsgrenzen längst erreicht, erklärte der Landrat. Hintergrund ist, dass Menschen in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Eisenhüttenstadt gebracht werden, wenn sie von der Bundespolizei aufgegriffen wurden - sind aber Kinder und Jugendliche ohne Eltern darunter, ist der Landkreis zuständig.

Unterstützung bekam Stübgen für seine Forderung nach festen Grenzkontrollen von der Deutschen Polizeigewerkschaft und vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Es gehe bei der zeitweisen Einführung von Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien nicht darum, die Anzahl von Flüchtlingen zu reduzieren, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Gewerkschaften: "Stationäre Grenzkontrollen zielen vielmehr darauf ab, zeitweise alle Eintritte ins bundesdeutsche Gebiet kontrolliert und systematisch zu erfassen und so endlich Ordnung in das Chaos zu bringen."

© dpa-infocom, dpa:230919-99-249476/3

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