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Migration:10 000 minderjährige Flüchtlinge sollen verschwunden sein

Mehr als ein Viertel aller Flüchtlinge sind Jugendliche, die ohne ihre Eltern nach Europa kommen. Die Polizeibehörde Europol warnt, dass viele von ihnen auf der Flucht von Banden sexuell ausgenutzt und versklavt würden.

10 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verschwunden

Es sind allein 5000 in Italien, etwa 1000 in Schweden und Tausende weitere in anderen EU-Ländern: Zahlen der europäischen Polizeibehörde Europol zufolge sind mindestens 10 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Europa verschwunden.

Sie seien zwar in einem europäischen Land registriert worden, dann jedoch habe sich ihre Spur verloren. "Wir wissen einfach nicht, wo sie sind, was sie tun oder bei wem sie sind", sagte Europol-Stabschef Brian Donald der britischen Wochenzeitung The Observer.

Einige der nicht mehr auffindbaren Minderjährigen könnten in die Hände von Kriminellen geraten sein, warnt Donald. Seine Organisation habe Beweise, dass viele Kinder und Jugendliche auf der Flucht von Banden sexuell ausgenutzt und versklavt würden. Außerdem habe sich in vielen europäischen Ländern eine "kriminelle Infrastruktur gebildet, die von den vielen Migranten profitiert".

27 Prozent der Flüchtlinge sollen minderjährig sein

Europol schätzt, dass 27 Prozent der in Europa ankommenden Flüchtlinge minderjährig sind. "Nicht alle von ihnen sind unbegleitet, doch wir haben Hinweise, dass es ein großer Anteil von ihnen ist", sagte Donald. So handele es sich nach seiner Ansicht bei der Zahl von 10 000 verschwundenen unbegleiteten Jugendlichen um eine vorsichtige Schätzung, die Zahlen könnten auch höher sein.

Die britische Regierung hatte vor einigen Tagen angekündigt, mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien und anderen Konfliktgebieten aufnehmen zu wollen. Das Innenministerium werde gemeinsam mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge "außergewöhnliche Fälle" aus Flüchtlingslagern in Syrien und Nachbarstaaten bestimmen, meldete die BBC. Bislang hat Großbritannien nur 1000 Flüchtlinge aus Syrien akzeptiert. Allerdings war Premierminister David Cameron zuletzt nicht nur vonseiten der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen unter Druck geraten, mehr zu tun.

In Deutschland leben derzeit nach Angaben von Hilfsorganisationen etwa 60 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Asylpaket II drohe vielen, "dass sie dauerhaft von ihren Eltern getrennt bleiben, da eine Einschränkung des Elternnachzugs zu befürchten ist", so der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Nachzug von Eltern werde "oft als Massenphänomen dargestellt", jedoch seien von Januar bis Dezember 2015 nur 442 Eltern nachgekommen.

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SZ.de/olkl/bön
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