Migranten:Richter appellieren an Salvini

Italiens Innenminister bleibt hart: 177 Bootsflüchtlinge müssen weiter auf einem Schiff im Hafen Catanias ausharren.

Von Andrea Bachstein

Im Fall der 177 auf dem italienischen Küstenwachschiff Diciotti festgehaltenen Flüchtlinge hat sich Italiens Innenminister Matteo Salvini zu einem kleinen Zugeständnis durchgerungen. Kinder, die sich an Bord des im Hafen von Cantania liegenden Schiffes befinden, könnten an Land gehen, sagte der Politiker der rechten Lega am Mittwochabend in einem Internetvideo. Alle anderen Flüchtlinge dürften aber keinesfalls von Bord. Nach Angaben von Behörden sind 29 der Migranten auf der Diciotti minderjährig.

Salvini ließ sich anscheinend von einem Aufruf italienischer Jugendrichter beeindrucken. Mehrere von ihnen hatten an die Regierung in Rom plädiert, Minderjährigen und anderen besonders verletzlichen Personen zu erlauben, das Schiff zu verlassen. Andernfalls, kündigten die Richter an, könnten juristische Verfahren zum Schutz der Minderjährigen eingeleitet werden. Die Diciotti lag am Mittwoch den zweiten Tag im Hafen des sizilianischen Stadt.

Die restlichen Migranten will Salvini erst an Land lassen, wenn andere EU-Staaten zusagen, zumindest einen Teil von ihnen aufzunehmen. Die 177 Migranten befinden sich seit fast einer Woche an Bord. Die Diciotti hatte sie vergangenen Donnerstag aufgenommen und musste dann vier Tage auf See bleiben, weil der Innenminister der eigenen Küstenwache verbot, einen Hafen in Italien anzulaufen. Das Schiff ist nicht geeignet, so viele Menschen über längere Zeit unterzubringen.

Die Rettungsaktion hat von Anfang an auch einen Konflikt zwischen den Regierungen Italiens und Maltas ausgelöst über die Zuständigkeit für die Bootsflüchtlinge. Am Mittwoch antwortete Maltas Innenminister Michael Farrugia auf Vorwürfe Salvinis, Malta hätte sich der nun in Catania befindlichen Migranten annehmen müssen. Man habe Kontakt aufgenommen, aber "die italienischen Behörden haben keine konkreten Handlungsanweisungen geliefert, denen Malta hätte folgen können", heißt es in der Note aus Valletta. Außerdem hat "Italien unglücklicherweise noch nicht die Pflichten erfüllt, die es für den Verteilmechanismus übernommen habe" im Fall der Migranten, die Ende Juni in Malta vom Rettungsschiff Lifeline gehen konnten.

Der Fall der Diciotti erregt zunehmend Kritik in Italien, in Catania forderten Demonstranten, die Menschen von Bord zu lassen. Der Schriftsteller und Anti-Mafia-Aktivist Roberto Saviano schrieb auf Twitter, Salvini habe auf die Verfassung geschworen, aber "er verletzt sie in unverhüllter Weise mit dem, was er gerade mit der Diciotti tut". Was auf der Diciotti geschehe, sei eine staatliche Entführung, und ihr Anstifter sei Salvini.

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