Migranten in Deutschland:Zuwanderung steigt stark an

Zwanzig Prozent der deutschen Einwohner haben ausländische Wurzeln, Tendenz weiter steigend. Die daraus resultierende Debatte über Armutsmigration könnten die Rechtspopulisten vor der Europawahl für ihre Zwecke missbrauchen.

In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Migranten in Deutschland wieder deutlich gestiegen. So wanderten 2012 erstmals mehr Menschen nach Deutschland ein, als Migranten der zweiten Generation hierzulande geboren wurden, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Insgesamt lebten 2012 16,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Damit hatte jeder fünfte Einwohner (20 Prozent) ausländische Wurzeln. Von 2011 auf 2012 stieg die Zahl um 381.000. Von 2010 auf 2011 war sie um 216.000 gewachsen, von 2009 auf 2010 lediglich um 43.000.

Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund zählen die Statistiker Menschen, die seit 1949 aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind, sowie deren Kinder. Die Zahlen kommen zu einem Zeitpunkt, da nicht nur in Deutschland heftig über die sogenannte Armutszuwanderung aus Osteuropa debattiert wird. Etliche Länder wie Großbritannien und Deutschland wollen sich auch mit drastischen Mitteln dagegen wehren, dass immer mehr EU-Bürger etwa aus Rumänien und Bulgarien in ihre Länder kommen, um Sozialleistungen zu beantragen. "Gegebenenfalls müssen wir uns außerhalb der Strukturen der Europäischen Union multilateral verständigen, um ein gemeinsames Vorgehen zu wählen", warnte der bisherige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unlängst in Brüssel.

Am 1. Januar 2014 fallen für Rumänien und Bulgarien, sieben Jahre nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union, die letzten Schranken zum Arbeitsmarkt in Deutschland. Dies, so befürchten manche Politiker, könnte fremdenfeindliche Ängste schüren. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt, dass sich 2014 die Zahl der Rumänen und Bulgaren in Deutschland um 100.000 bis 180.000 Personen erhöhen könnte. Und einige Unionspolitiker haben auch bereits darauf verwiesen, dass in Deutschland bereits jetzt knapp 40.000 Rumänen und Bulgaren Hartz-IV-Leistungen bezögen.

Die Debatte ist vor der Europawahl heikel

Hinter den Kulissen wird parteiübergreifend eingeräumt, dass die Debatte heikel ist. Einerseits will Deutschland eine "Willkommenskultur" entwickeln, damit mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland und eben auch aus Rumänien und Bulgarien zuziehen. Andererseits müsse man vor der Europawahl im Mai auf Ängste eingehen, weil es die Rechtspopulisten auch tun würden, heißt es vor allem in der CSU. Zum Tag der Migration teilten die Statistiker nun mit, dass etwa 10,9 Millionen der Migranten aus dem Ausland zugewandert sind. Etwa 5,4 Millionen gehören der zweiten Generation der Migranten an.

"Oft wird die Ankunft der ersten Gastarbeiter ab Ende der 1950er Jahre mit dem Beginn der Einwanderung in Deutschland gleichgesetzt", sagte Joscha Dick vom Bundesamt in Wiesbaden. "Aber es gab bereits seit 1950 auch einen durchaus bedeutsamen Zuzug von Aussiedlern beziehungsweise Spätaussiedlern."

Seither wechselten sich Jahre mit höheren und niedrigen Zuwanderungszahlen ab. Mal kamen die Menschen, um Arbeit zu suchen, mal wollten sie zur Familie oder bewarben sich um Asyl, ab 1990 prägten vor allem die Spätaussiedler aus Osteuropa das Bild. In den vergangenen Jahren habe in Deutschland vor allem der Anteil der zweiten Generation zugenommen, wie das Statistische Bundesamt zum Tag der Migranten (18. Dezember) weiter mitteilte.

Insgesamt leben Menschen aus 190 Staaten in Deutschland. Die meisten stammen aus Europa. So haben 70,6 Prozent der Zuwanderer und deren Nachfahren ihre Wurzeln in einem europäischen Land. 15,7 Prozent kommen aus dem asiatischen Raum, gefolgt von Afrika (3,5 Prozent) und Amerika (2,5 Prozent). Nur wenige Migranten stammen hingegen aus Australien oder Ozeanien (0,2 Prozent).

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: