US-Midterms:Die Demokraten und die magische 23

USA: Anhänger der Demokraten in New Jersey

Anhänger der Demokraten bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Jersey.

(Foto: AFP)

Trumps Gegner werden bei den US-Zwischenwahlen deutlich hinzugewinnen, so viel ist klar. Entscheidend ist aber nur eines: die Höhe ihres Sieges.

Von Hubert Wetzel, Washington

In dem Roman "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams soll ein Computer die Frage "nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" beantworten. Der Computer rechnet siebeneinhalb Millionen Jahre und spuckt dann die Antwort aus: 42. Das ist aber leider so unpräzise, dass ein neuer Computer gebaut werden muss, der die Frage finden soll, die zu der Antwort 42 passt.

Die Demokraten in den USA, die seit dem Wahlsieg von Donald Trump vor zwei Jahren in gewisser Hinsicht auch darüber nachgrübeln, welchen Sinn das Leben, das Universum und der ganze Rest hat, haben es ein bisschen leichter. Für sie lautet die Antwort 23. Und sie wissen sehr genau, was diese Zahl bedeutet: 23 Sitze muss die Partei am Dienstag bei der Kongresswahl im Abgeordnetenhaus netto hinzugewinnen, um in der Parlamentskammer die Macht zu übernehmen. Das ist die Messlatte für Sieg oder Niederlage - 23 Sitze.

Die Ausgangslage: Das Abgeordnetenhaus, das komplett zur Wahl steht, hat 435 Sitze, die Mehrheit liegt also bei 218 Sitzen. Einige Sitze sind derzeit vakant, doch grob gesagt halten die Republikaner 240, die Demokraten 195 Sitze; gewännen sie 23 Sitze hinzu, hätten sie 218. Und praktisch alle Prognosen sagen, dass die Demokraten diesen Zugewinn schaffen. Der Wahlstatistiker Nate Silver zum Beispiel gibt der Partei auf seiner Website Fivethirtyeight.com eine Chance von 85 Prozent, die Kammer zu übernehmen. Die Chance der Republikaner, ihre Mehrheit zu behalten, beträgt demnach 15 Prozent.

Trotzdem sollten es die Demokraten aber nicht übertreiben mit der Siegesgewissheit. Es gab ja einmal eine Zeit, da bezifferten hochseriöse Wahlforscher die Chancen der Demokratin Hillary Clinton, Präsidentin zu werden, mit 98 Prozent. Es gewann dann der Zwei-Prozent-Mann Trump, weil er in den entscheidenden Bundesstaaten ein Quäntchen mehr Glück und Stimmen hatte. Ein ähnliches Szenario ist dieses Jahr bei der Kongresswahl ebenfalls denkbar.

Der Cook Political Report, bei diesem Thema das Referenzwerk in Washington, stuft in seiner letzten Prognose vor der Wahl 192 demokratische Sitze als sicher oder relativ sicher ein. Dazu kommen 17 Sitze, die derzeit von den Republikanern gehalten werden, die aber mit großer Wahrscheinlichkeit kippen werden. Doch das gäbe den Demokraten nur 209 Sitze, sie bräuchten also neun weitere.

Ein Reservoir, um diese neun Sitze zusammenzubekommen, existiert. Der Cook Report identifiziert 28 republikanische Wahlkreise, in denen die demokratischen Kandidaten so stark sind, dass sie gewinnen könnten. Doch in allen diesen Rennen liegen die Kandidaten Kopf an Kopf, ihre Siegchancen betragen jeweils nur 50 Prozent. Statistisch gesehen ist es zwar gut möglich, dass die Demokraten mindestens neun dieser 28 Rennen gewinnen. Aber Politik funktioniert zuweilen nach anderen Regeln. Wenn, wie vor zwei Jahren, die Republikaner in den entscheidenden Wahlkreisen ein, zwei Prozentpunkte mehr Stimmen erhalten, als die Umfragen es vorhersagen, dann können die Demokraten unterm Strich verlieren. Ob sie 20 oder 22 Sitze hinzugewinnen, ist dann egal. Entweder sie schaffen den 23. Sitz - oder nicht.

Wie gesagt: Dieser Ausgang ist weniger wahrscheinlich als der Sieg der Demokraten. Aber er ist bestimmt nicht unmöglich. Da die Wahlbeteiligung respektive die Mobilisierung der eigenen Anhänger eine entscheidende Rolle spielt, wird sich erst am Wahltag zeigen, wer in den knappen Rennen besser abschneidet.

Im Senat sind die Chancen der Demokraten auf einen Machtwechsel deutlich geringer als im Haus: etwa 15 Prozent. Von den 100 Sitzen - 51 davon halten die Republikaner, 49 die Demokraten - werden am Dienstag 35 neu gewählt. Die meisten Prognosen sehen einen Zugewinn der Republikaner von einem bis vier Sitzen voraus. Ein Sieg der Demokraten im Senat wäre eine geradezu spektakuläre Sensation.

Die Demokraten haben dieses Jahr allerdings auch besonderes Pech: Sie müssen 26 Senatssitze verteidigen, die Republikaner nur neun. Zehn der zur Wahl stehenden demokratischen Senatoren stammen zudem aus konservativen Bundesstaaten, in denen vor zwei Jahren Trump gewonnen hat. Der Präsident hat also einen Hebel, um diese Demokraten unter Druck zu setzen.

Und das tut Trump. Schon der Kampf um die Ernennung des umstrittenen Juristen Brett Kavanaugh zum Verfassungsrichter durch den Senat wurde vom Präsidenten auch mit der Absicht geführt, die gefährdeten Demokraten an die Wand zu drücken. Es war kein Zufall, dass zum Beispiel der demokratische Senator Joe Manchin aus dem stockkonservativen West Virginia für Kavanaugh votierte. Seine Kollegin und Parteifreundin Heidi Heitkamp aus North Dakota stimmte gegen Kavanaugh. Ihre Siegchancen sanken danach deutlich.

Derzeit reist Trump kreuz und quer durchs Land und macht in jenen Bundesstaaten Wahlkampf, in denen demokratische Senatskandidaten wackeln und republikanische Bewerber Hilfe brauchen. Wenn schon das Haus verloren geht, dann will der Präsident wenigsten die republikanische Mehrheit im Senat retten.

Und schließlich werden in 36 Bundesstaaten die Gouverneure neu gewählt. Bei den Demokraten droht zwei Gouverneuren die Abwahl, doch auf der republikanischen Seite sind gleich zehn Amtsinhaber gefährdet. Besonders interessant sind die Rennen in Florida und Georgia, zwei südliche Bundesstaaten, in denen 2016 Trump gewann. Jetzt treten dort für die Demokraten zwei linke, schwarze Kandidaten an - Stacey Abrams in Georgia, Andrew Gillum in Florida -, und beide haben gute Chancen zu gewinnen. Für Amerikas Süden käme das einer politischen Zäsur gleich.

Auch Bundesstaaten wie Ohio, Wisconsin und Pennsylvania, in denen Trump vor zwei Jahren der Sieger war, könnten künftig demokratische Gouverneure bekommen. Das wäre bitter für die Republikaner. Im Falle dieses Wahlergebnisses hält Douglas Adams das Rezept für den stärksten Drink der Galaxis bereit, den Pangalaktischen Donnergurgler. Er spendet Vergessen, zieht allerdings auch einen gewaltigen Kater nach sich.

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