US-Midterms:Biden fühlt sich vom Wahlresultat bestätigt

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Hat gut lachen, weil die Zwischenwahl glimpflich ausging: US-Präsident Joe Biden. (Foto: Susan Walsh/dpa)

US-Präsident Joe Biden nimmt für sich einen historischen Wahlerfolg bei den Midterms in Anspruch. Doch viel Grund zur Freude gibt es nicht.

Von Fabian Fellmann, Washington

Told you so, sagte ich doch: Das ist das Fazit von US-Präsident Joe Biden nach den amerikanischen Zwischenwahlen. "Die Presse und die Kommentatoren haben eine enorme rote Welle vorausgesagt. Sie ist ausgeblieben", sagte er in einer Frage- und Antwortstunde am Tag nach der Wahl. Er wisse schon, dass die Leute seine notorische Zuversicht nicht mehr ernst genommen hätten. Aber diese sei eben gerechtfertigt gewesen.

"Die Demokratische Partei hat die Erwartungen aller übertroffen", sagte Biden. "Sie hat besser abgeschnitten als in irgendeiner Zwischenwahl seit Präsident Kennedy." Einen Wahlerfolg also, wie es ihn seit 60 Jahren nicht mehr gegeben hat, nimmt Biden jetzt für sich in Anspruch. Normalerweise verliert die Partei des Präsidenten bei den Zwischenwahlen mindestens ein halbes Dutzend Senatssitze und mehrere Dutzend Mandate im Repräsentantenhaus. Wo genau der Zähler diesmal landen wird, ist noch nicht klar.

Wichtig ist für Biden, dass Trump nach dieser Wahl angeschlagen ist

Wegen langsamer Auszählung in Staaten im Westen der USA waren auch zwei Tage nach der Wahl noch immer nicht alle Stimmen erfasst, in einigen Staaten treffen zudem noch immer Briefwahlzettel ein. In Nevada etwa könnte sich das knappe Rennen zwischen dem Republikaner Adam Laxalt und der Demokratin Catherine Cortez Masto um einen Sitz im Senat erst in einer Woche klären. Jedenfalls haben die Demokraten reelle Chancen, ihre Mehrheit in dieser Kammer zu retten, während die Republikaner ziemlich sicher die Kontrolle über das Repräsentantenhaus übernehmen.

Wichtiger ist für Biden aber, dass Donald Trump nach diesen Wahlen angeschlagen ist. Seine handverlesenen Kandidaten hatten Mühe, eine Mehrheit der Wählerschaft von sich zu überzeugen. Einige in der Partei beschuldigen Trump offen, einen bereits sicher geglaubten Wahlsieg verspielt zu haben. Unverhohlen freute sich Biden auch darüber, dass Trump im eigenen Lager zunehmend Konkurrenz erwächst, besonders von Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der sich am Dienstag eine glanzvolle Wiederwahl gesichert hatte. Auf die Frage, ob er sich gegen Trump oder DeSantis bessere Chancen ausrechne, lachte Biden trocken und wich aus: "Es würde Spaß machen zuzuschauen, wie sie aufeinander losgehen."

Zu sehr sollte Biden sich nicht freuen. Auch in seiner Partei stehen wieder Richtungskämpfe an. Im liberalen Staat New York etwa haben die Demokraten vier Sitze verloren. Dort hat die Suche nach Schuldigen bereits begonnen, und die sehr linke Alexandria Ocasio-Cortez nutzte die Gelegenheit, die moderate Parteiführung anzugreifen.

Bei den Demokraten heißt es, man habe trotz, nicht dank Biden so gut abgeschnitten

Diese Progressiven argumentieren, Biden könne von dem Wahlerfolg nur einen kleinen für sich beanspruchen, wenn überhaupt. Die Demokraten hätten sich nicht dank, sondern trotz Biden so gut geschlagen. Im Wahlkampf seien die meisten Kandidaten zu Biden auf Distanz gegangen, nur wenige hätten mit ihm eine Bühne betreten. Das Umfeld des Demokraten John Fetterman, der in Pennsylvania den Republikanern einen Senatssitz weggenommen hat, beklagte sich gar in den Medien darüber, dass Biden mehrmals nach Pennsylvania gekommen war.

In dieser Erzählung waren es vor allem emsige Kandidatinnen und Kandidaten sowie aktive Basisorganisationen, die die demokratischen Wähler mit den Themen Abtreibungsrecht, Waffenrecht und Demokratie elektrisiert hätten. Für diese These spricht unter anderem, dass viele siegreiche demokratische Kandidaten in ihren Wahlkreisen deutlich besser abschnitten als Biden vor zwei Jahren bei den Präsidentschaftswahlen.

Die Progressiven, die Biden ohnehin stets kritisch gesehen haben, werden ihm in den nächsten zwei Jahren kaum mehr Geschenke machen, sondern ihn mit Forderungen eindecken, die sie mit ihren Wahlresultaten legitimieren. Eine überparteiliche Zusammenarbeit mit den Republikanern, wie Biden sie am Mittwoch anzustreben versprach, ist unter diesen Umständen nur sehr schwer vorstellbar. Die Republikaner dürften ohnehin auf Fundamentalopposition schalten, und bei den Demokraten wird der linke Flügel nicht bereit zu Konzessionen sein.

Biden will wohl versuchen, über die Parteigrenzen hinweg zu regieren

Das Regieren dürfte für Biden damit sehr schwierig werden. Er rief am Mittwoch den voraussichtlichen künftigen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, mit der Botschaft an, über die Parteigrenzen hinweg kooperieren zu wollen. Biden scheint allerdings selbst nicht ganz daran zu glauben, dass dies möglich ist, und drohte vorsorglich schon mal: Er werde alle extremen Gesetze aus dem Kongress mit seinem Veto belegen, und falls nötig, werde er mit Dekreten am Kongress vorbei regieren.

Einen wichtigen Hebel aber haben die Republikaner in der Hand, wenn sie das Repräsentantenhaus erobern: Sie können der Regierung Biden den Geldhahn zudrehen. Zudem werden sie eine Reihe von Untersuchungsausschüssen ins Leben rufen, was Bidens Entourage mit Vorladungen auf Trab halten und negative Schlagzeilen generieren wird. Wie sich das konkret auf einzelne Politikfelder auswirken wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Kevin McCarthy hat zum Beispiel bereits angekündigt, die Hilfskredite für die Ukraine kritischer beurteilen zu wollen. Allerdings hat sich die Mehrheit der Republikaner bislang stets sehr klar hinter Bidens Ukrainekurs gestellt, und wenn McCarthy neue Akzente setzen will, wird das in der eigenen Partei durchaus auch Widerstand auslösen.

Trotz der schwierigen Aussichten gab sich Biden am Mittwoch gut gelaunt. Er und seine Familie würden am Anfang des kommenden Jahres entscheiden, ob er noch einmal kandidieren wolle, sagte Biden. Doch er ließ auch durchblicken, wie tief ihn Kritik und Skepsis in den vergangenen Monaten getroffen hatten. Zu alt sei er, zu müde, zu wenig pragmatisch, hieß es. Nun ließ der US-Präsident die Journalisten im Weißen Haus deutlich spüren, dass er die Kritik für wenig qualifiziert, seinen eigenen politischen Instinkt für weit überlegen und sein Gespür für die Sorgen der Amerikanerinnen und Amerikaner für feiner hält.

Und in der kommenden Woche wird der Präsident wieder außenpolitische Akzente setzen können: In Indonesien findet der G-20-Gipfel statt, auch dort wird die Ukraine Thema sein. Und Biden wird dort auch das Reizthema China in den Fokus rücken: Das Weiße Haus kündigte am Donnerstagabend an, dass der US-Präsident am Rande des Gipfels auf Bali auch erstmals zu einem bilateralen Treffen unter Präsidenten mit Chinas Staatschef Xi Jinping zusammenkommen wird. Die Beziehungen sind nicht zuletzt wegen Chinas Russlandfreundlichkeit und des Taiwan-Konflikts angespannt. Biden wolle eine Basis für gemeinsame Beziehungen schaffen, hieß es nun aus Washington.

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