Michael Bloomberg und der US-Wahlkampf:Spielverderber im Wartestand

New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg liebäugelt damit, ins Präsidentschaftsrennen einzusteigen. Siegeschancen hat er keine - doch Kandidaten wie Hillary Clinton oder Mitt Romney könnte er die Suppe kräftig versalzen.

Johannes Kuhn

Michael Bloomberg hat ein Glaubwürdigkeitsproblem: "So oft Sie die Frage auch stellen, ich bin kein Kandidat", erklärte New Yorks Bürgermeister kürzlich vor Journalisten im Stadtteil Harlem, angesprochen auf seine Präsidentschaftsambitionen.

Er überlegt noch: Der Bürgermeister von New York Michael Bloomberg liebäugelt mit einer Präsidentschaftskandidatur

Er überlegt noch: Der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, liebäugelt mit einer Präsidentschaftskandidatur.

(Foto: Foto: Reuters)

Aber wieso lässt der 65-jährige Multimilliardär dann bereits fleißig Wähleranalysen in sämtlichen Bundesstaaten erstellen, will ein Reporter wissen? "Ich habe nie behauptet, Wähleranalysen zu erstellen. Das waren Sie", entgegnet das genervte Stadtoberhaupt.

Halbherzige Dementis wie diese mag er noch so oft von sich geben: Dass sich Michael Bloomberg auf das Rennen um die US-Präsidentschaft vorbereitet, bezweifelt niemand mehr.

Aus dem Umfeld des Milliardärs schaffen es immer wieder aktuelle Wasserstandsmeldungen in New Yorker Zeitungen. Ein Team um seinen engsten Vertrauten, Vize-Bürgermeister Kevin Sheekey, sei schon seit einem Jahr mit der Zusammenstellung einer schlagkräftigen Wahlkampforganisation beschäftigt, die innerhalb weniger Tage ihre Arbeit aufnehmen könnte. Seit Dezember würden im ganzen Land Umfragen durchgeführt, um die für Bloomberg entscheidenden Themen und Wählerkreise zu identifizieren.

Auch der Kandidat selbst sorgt dafür, im Gespräch zu bleiben: Vergangene Woche traf er sich medienwirksam mit angesehenen, aber unzufriedenen Demokraten und Republikanern, mit denen er gemeinsam für eine Überwindung der parteilichen Grenzen warb.

Dort testete er schon einmal den präsidialen Duktus: "Dieses Land ist das wundervollste Land, das je erschaffen wurde. Wir haben unglaubliche Dinge in den letzten 235 Jahren erreicht", erklärte Bloomberg patriotisch, "Doch wir sind ängstlich geworden, obwohl es gibt keinen Grund dafür gibt. Amerika ist ein Land der Optimisten. Wir glauben daran, alles erreichen zu können - und wir wollen wieder dorthin kommen."

Spricht so der kommende US-Präsident? Finanziell würde der Gründer der erfolgreichen Finanzdaten-Agentur keine Probleme haben, eine Kampagne zu finanzieren. Schätzungen der US-Zeitschrift Forbes zufolge kann Bloomberg auf ein Privatvermögen von 11,5 Milliarden Dollar zurückgreifen und wäre bereit, eine Milliarde davon in Organisation und Wahlwerbung zu investieren. Das erzählte sein Vertrauter Sheekey dem US-Magazin Newsweek.

Öffentlichkeitsarbeit dürfte der jüdische Philanthrop, der im vergangenen Jahr 205 Millionen Dollar für gemeinnützige Zwecke spendete, auch nötig haben. Zwar gilt er in New York als erfolgreicher Bürgermeister, der die Bürokratie in Schulwesen und Stadtverwaltung entrümpelte, Geld in Bildung und Lebensqualität investierte, in Bars das Rauchen verbot und die Stadt mit einer City-Maut zum Klimaschutz-Vorreiter machen möchte.

Beliebt - falls bekannt

Aber die 73 Prozent Zustimmung der New Yorker Bürger helfen ihm außerhalb der Stadtgrenzen wenig. Einer Umfrage der Quinnipiac-Universität in Hamden, Connecticut, bei den Wählern im Bundesstaat Ohio belegt das: 17 Prozent der Wähler hatten einen positiven Eindruck von Bloomberg - doch über 60 Prozent erklärten, ihn nicht gut genug zu kennen.

Dies war freilich anfangs auch bei Ross Perot so, dessen Wahlkampf aus dem Jahr 1992 als Blaupause für Drittpartei-Kandidaten gilt. Der IT-Milliardär konnte am Ende 19,7 Millionen US-Wähler hinter sich versammeln; doch es waren nicht nur teure Fernsehwerbespots, die ihm die Popularität und Stimmen sicherten.

"Ross Perot identifizierte Themen, die von den großen Parteien ignoriert wurden oder in denen sie sich nicht unterschieden", erläutert Ronald Rapoport von der Universität William and Mary (College of William and Mary) in Williamsburg, Virginia.

Der Politikwissenschaftler hat die Kampagnen unabhängiger Kandidaten analysiert und sieht deutliche Defizite bei Bloomberg: "Perot machte die Parteienfinanzierung zum Thema, stellte internationale Freihandelsabkommen in Frage und sprach sich gegen internationale Militäreinsätze aus. Bloomberg sagt bislang nur: 'Ich kann die Menschen zusammenbringen.' Aber wofür? Hinter welchen Ideen?"

Gegen das Establishment

Tatsächlich entspricht der 65-jährige Bürgermeister weniger einem visionären Politiker, als einem pragmatischen Stadtmanager. Sollte sich die Wirtschaftskrise in den USA verstärken, könnten Managerqualitäten zwar ein Pluspunkt sein; dominiert das leidenschaftliche Schlagwort vom "Wechsel" jedoch bis November die Schlagzeilen, droht sein Wahlkampf schnell an der Unterkühlung des Kandidaten einzugehen.

Zudem positionieren sich mit John McCain und Barack Obama bereits zwei Favoriten als Anti-Establishment-Kandidaten, die über die Parteigrenzen hinweg regieren wollen. "Bloomberg macht momentan so etwas wie Marktanalyse: Er genießt die Aufmerksamkeit und wartet ab, wie die Vorwahlen ausgehen", glaubt deshalb Stephen Hess vom liberalen Think-Tank Brookings Institution. Je weiter die gewählten Kandidaten am linken und rechten Rand stünden, desto höher die Chancen, dass der New Yorker Bürgermeister antritt.

Aus dem Umfeld des Milliardärs verlautet stets, er würde nur bei reellen Siegesaussichten in das Rennen einsteigen. Die sehen die Beobachter bislang nicht - selbst der 20-Millionen-Stimmen-Mann Perot konnte seinerzeit keinen einzigen Staat gewinnen.

Und Bloomberg gilt als angreifbar.

Lesen Sie weiter, welche Probleme Bloombergs Kandidatur haben würde.

Spielverderber im Wartestand

"Er befürwortet das Abtreibungsrecht, strenge Waffengesetze und die Homo-Ehe", erklärt Rapoport, "das wird ihm in vielen Staaten sicherlich Probleme bereiten." Zudem dürfte Bloomberg als jüdischer Milliardär in einigen Gegenden mit ähnlichen Vorbehalten wie Mitt Romney, der millionenschwere Mormone, zu kämpfen haben.

Kritiker bemängeln außerdem die fehlende Erfahrung des Kandidaten. "Sechs Jahre in den Stadtteil Staten Island gereist zu sein, machen ihn sicherlich nicht zu einem außenpolitischen Experten", ätzte jüngst David Remnick, der Chefredakteur des Magazins New Yorker.

Selbst seinen Pragmatismus könnten ihm seine Gegner als rücksichtsloses Karrierebewusstsein auslegen: 2000 wechselte Bloomberg von den Demokraten zu den Republikanern, um seine Bürgermeister-Kandidatur zu sichern. Im vergangenen Jahr verließ er die Partei jedoch wieder - um im Präsidentschaftswahlkampf auf demokratische Wähler nicht allzu abschreckend zu wirken, behaupten böse Zungen.

Neugier und Furcht

Die etablierten Parteien beäugen Bloombergs Aktivitäten mit einer Mischung aus Neugier und Furcht. Ein starker unabhängiger Kandidat kostet immer Stimmen und kann damit den Ausschlag in hart umkämpften Staaten wie Florida, Pennsylvania oder Ohio geben. Im Jahr 2000 war es der grüne Bewerber Ralph Nader, der dem Demokraten Al Gore in Florida die entscheidenden Stimmen abluchste und damit George W. Bush zum Präsidenten machte.

Auch Bloomberg könnte in die Spielverderber-Rolle schlüpfen: Sollte Hillary Clinton die Vorwahlen gewinnen, wäre er zum Beispiel eine Alternative für demokratische und unabhängige Wähler, die niemals für Republikaner stimmen würden, aber starke Antipathien gegen die ehemalige First Lady hegen. Mike Huckabee oder Mitt Romney hingegen würden gemäßigte Republikaner in Bloombergs Arme treiben, die mit religiöser Rhetorik wenig anfangen können.

Bei seinen jüngsten Auftritten kritisierte der Bürgermeister fast alle Kandidaten - indirekt, versteht sich. Ausnahme: Barack Obama, mit dem er im Dezember in New York publikumswirksam gefrühstückt hatte.

Die sicherere Investition

Nun kursieren bereits die ersten Gerüchte über eine mögliche Vizepräsidentschaft Bloombergs, sollte Obama die Vorwahlen gewinnen. "Blödsinn", sagt Brookings-Mann Hess und lacht, "einen parteilosen Vizepräsidenten haben wir seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gehabt, die demokratische Basis würde vor Wut schäumen."

Bis März muss sich der Kandidat im Wartestand entscheiden, ob er antreten will und damit den etablierten Parteien die Suppe versalzt. Für den 65-Jährigen wäre es die wahrscheinlich letzte Chance, nach dem Präsidentenamt zu greifen - in vier Jahren würde er voraussichtlich auf einen höchst bekannten Amtsinhaber treffen.

Doch das Ende seiner Bürgermeister-Amtszeit im Jahr 2009 muss auch ohne Präsidentschaftskandidatur nicht das Ende von Bloombergs politischen Ambitionen bedeuten. 2010 steht New Yorks demokratischer Gouverneur Eliot Spitzer zur Wiederwahl. Umfragen zufolge hätte Bloomberg gute Chancen, den unbeliebten Ex-Staatsanwalt abzulösen. Nach pragmatischen Gesichtspunkten eigentlich die sicherere Investition.

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