Süddeutsche Zeitung

Stuttgart:"Querdenken"-Gründer aus U-Haft entlassen

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Neun Monate lang saß Michael Ballweg in Stuttgart-Stammheim. Gegen ihn liegt eine Anklage vor, es geht um den Vorwurf des versuchten Betrugs und der Geldwäsche. Nun kommt er vorerst frei.

Der Initiator der "Querdenken"-Bewegung, Michael Ballweg, ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage gegen Ballweg erhoben - wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche. Außerdem gehe es um Steuerstraftaten.

Ballweg hatte etwa neun Monate in Untersuchungshaft gesessen. Die Ermittler vermuten, er habe seine Anhänger um Spenden gebeten, diese aber nur teilweise für die Zwecke von "Querdenken" eingesetzt. Weil es laut den Ermittlungsbehörden konkrete Hinweise gab, dass sich Ballweg ins Ausland habe absetzen wollen, wurde er festgenommen und ins Gefängnis Stuttgart-Stammheim gebracht.

Das Oberlandesgericht Stuttgart legte nun eine Auflage für die Entlassung des "Querdenken"-Initiators aus der Untersuchungshaft fest. Ballweg muss dem Landgericht Stuttgart die Adresse zweier Menschen mitteilen, über die er zuverlässig zu Prozessbeginn geladen werden kann.

Wesentlicher Grund für die Entscheidung des Senats sei gewesen, dass sich der aus der Straferwartung resultierende Fluchtanreiz inzwischen reduziert habe, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft nunmehr auch durch mildere Mittel erreicht werden könne, teilte ein Sprecher mit. Das Oberlandesgericht prüfte regulär die Fortdauer der Untersuchungshaft nach neun Monaten. Über die endgültige Entlassung entschied dann das Landgericht Stuttgart.

Die Staatsanwaltschaft hatte erst kürzlich wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche Anklage gegen Ballweg vor dem Landgericht Stuttgart erhoben. Ihm wird demnach vorgeworfen, spätestens seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe von mehreren tausend Personen finanzielle Zuwendungen für die Organisation "Querdenken 711" im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben zu haben. Er soll die Spender über die Verwendung der Gelder getäuscht haben und außerdem darüber, dass er an der Anerkennung der Gemeinnützigkeit von "Querdenken 711" durch das Finanzamt in Form eines Vereins oder einer Stiftung arbeite. Es geht laut seinem Anwalt um versuchten Betrug in 9450 Fällen.

Ballweg wird auch Geldwäsche vorgeworfen

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Ballweg mehr als 500 000 Euro für eigene Zwecke genutzt haben. Die Herunterstufung der Vorwürfe von Betrug auf versuchten Betrug wird wie folgt begründet: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von ihm für private Zwecke genutzten Gelder von denjenigen Unterstützern stammten, die zumindest auch mit einer entsprechenden Handhabung einverstanden gewesen seien. Ballweg wird außerdem Geldwäsche vorgeworfen. Er soll die mutmaßlich rechtswidrige Herkunft der eingeworbenen finanziellen Zuwendungen in mittlerer sechsstelliger Höhe durch vier Bargeldauszahlungen verschleiert haben.

Ballwegs Anwälte hatten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft immer wieder zurückgewiesen und die Entlassung des 48-Jährigen aus der Untersuchungshaft gefordert. Über die Zulassung der Anklage hat die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts noch nicht entschieden.

Die "Querdenken"-Bewegung hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie von Stuttgart aus in vielen deutschen Städten formiert. Die Anhängerinnen und Anhänger demonstrierten immer wieder öffentlich gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Dabei gab es auch Angriffe auf Polizisten und Medienvertreter. Der Verfassungsschutz beobachtet die Szene wegen verfassungsfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und antisemitischer Tendenzen.

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