Als am 17. Juli 2014 über der Ostukraine eine Boeing 777 der Malaysia Airlines von einer Rakete abgeschossen wurde, standen für viele die Täter schnell fest: die prorussischen Separatisten. Aus Russland aber kam Entlastungsmaterial, Satellitenbilder sollten belegen, dass es einen weiteren Verdächtigen gab: die ukrainische Luftabwehr.
Eine Gruppe um den investigativen Blogger Eliot Higgins hat nun eine Analyse veröffentlicht, die zu dem Schluss kommt: Die russischen Aufnahmen sind Fälschungen.
Moskau zufolge sollten die Bilder belegen, dass zum Zeitpunkt des Angriffs auf MH17 in der Nähe des Abschussortes zwei mobile Buk-Raketenwerfern der Ukrainer im Einsatz waren. Mit einer Rakete eines solchen Geräts wurde das Passagierflugzeug vermutlich zerstört, 298 Menschen kamen dabei ums Leben.
Eine Analyse von zwei der Satellitenbilder zeigt allerdings nun, dass Russland die Separatisten nicht nur mit Militärgerät und Soldaten unterstützt, sondern auch mit Fehl- und Desinformationen.
Die Satellitenbilder sind falsch datiert und manipuliert
Zehn Experten des internationalen investigativen Rechercheteams Bellingcat haben die beiden Bilder geprüft und behaupten: Sie wurden falsch datiert und mit einem Bildbearbeitungsprogramm manipuliert. So wurden offenbar Wolken künstlich hineingearbeitet, um Details darunter zu verdecken - was einen Vergleich mit anderen Aufnahmen erschwert. Die Bilder, so das Ergebnis von Bellingcat, stammten eindeutig von einem Zeitpunkt vor dem Abschuss von MH17. Ein Versehen schließt die Investigativplattform, die gerade landaus, landein zitiert wird, aus. Doch wer steckt hinter der Organisation, für die Journalisten, Wissenschaftler und Studenten arbeiten?
Gegründet wurde Bellingcat von dem Briten Eliot Higgins, der sich bereits als Blogger unter dem Pseudonym Brown Moses einen Namen gemacht hat. Peter Bouckaert von Human Rights Watch etwa lobte ihn als eine der besten Quellen, wenn es darum geht, den Einsatz von Waffen in Syrien zu beobachten.
Higgins und das Team von Bellingcat nutzen öffentlich zugängliche Informationen wie Berichte, Videos und Fotos aus Konflikten und Kriegen sowie Satellitenbilder, um zu prüfen, wo genau welche Ereignisse stattgefunden haben, welche Informationen tatsächlich zusammen passen, und wo es Widersprüche gibt. Egal welche Spuren ein bestimmtes Ereignis im Netz hinterlässt: Eliot Higgins und sein Team investigativer Bürgerjournalisten tragen sie zusammen. Sie lesen Fährten wie digitale Spürhunde. Von Facebook-Posts und Schnappschüssen schließen sie auf Truppenbewegungen.
Vom "World of Warcraft"-Zocker zum journalistischen Hoffnungsträger
Aus frei zugänglichem Material destilliert Higgins Informationen, die viele Geheimdienste der Welt aufhorchen lassen. Deshalb wird er jetzt gefeiert, als Entdecker der digitalen Möglichkeiten, als Zukunft des Journalismus. Google lud Higgins zur Konferenz "Investigathon" nach New York, beim britischen Guardian gab er ein Seminar zu investigativer Recherche.
Für Eliot Higgins, Jahrgang 1979, begann diese steile Karriere auf seinem Sofa in Leicester, Mittelengland. Higgins war Finanzsachbearbeiter, zuerst bei einem Hersteller von Damenunterwäsche, dann bei einer Wohnverwaltung für Flüchtlinge. Als er 2012 seinen Job verlor, brauchte er ein neues Ziel, auf das er seine Energie fokussieren konnte. Denn das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" hatte er seiner Frau zuliebe schon aufgegeben.
Nuray stammt aus Istanbul, Higgins hat sie über den Instant-Messaging-Service ICQ kennengelernt. Sie wollte dort ihr Englisch verbessern, er koordinierte seine 40 Mann starke Warcraft-Kampftruppe. Heute analysiert Higgins vom Sofa aus Militäraktionen in Krisengebieten wie Syrien und der Ukraine, während er nebenbei auf die beiden Kinder aufpasst und seine Frau in der Post-Filiale arbeitet.