Mexiko und USA:Wo Trumps Mauer bereits Wirklichkeit ist

Activist paints the U.S.-Mexico border wall between Ciudad Juarez and New Mexico as a symbol of protest against US President Donald Trump's new immigration reform in Ciudad Juarez, Mexico

Die Mauer, es gibt sie schon: Aktivisten bemalen sie an der Grenze zwischen Ciudad Juarez und New Mexico.

(Foto: REUTERS)

Was, fragen sich Mexikaner, will Donald Trump eigentlich bauen? Die Mauer steht doch längst. Unterwegs mit Sehnsüchtigen, Verzweifelten, Gestrandeten und Gescheiterten.

Von Boris Herrmann, Tijuana

Manchmal geschieht an diesem Zaun der Schande auch ein kleines Wunder. Zum Beispiel das von Teresa B., 22, aus Venezuela. In ihrem Heimatland hatte sie es nicht mehr ausgehalten. Viel Gewalt, wenig zu Essen und noch weniger Perspektiven - drei gute Gründe, um abzuhauen. Nach einer wochenlangen Odyssee durch Mittelamerika landete Teresa B. in der Grenzstadt Tijuana im Nordwesten Mexikos. Es war ein Horrortrip, aber allemal besser als zu Hause zu verrecken. Angetrieben wurde sie durch ihren Traum vom gelobten Land. Ihr Freund Julio lebt seit einiger Zeit auf der anderen Seite des Zauns, in den USA.

In Tijuana sitzen gerade Zehntausende fest, die denselben Traum wie Teresa B. träumen. Haitianer, Honduraner, Salvadorianer, Kubaner, Venezolaner vor allem, aber auch Ukrainer, Armenier und Familien aus Bangladesch sind da. Wer kein Geld für einen Schleuser hat (etwa 4000 bis 10 000 Dollar pro Person), für den ist hier die Reise in der Regel zu Ende. US-Präsident Donald Trump hat versprochen, eine große Mauer zu bauen, um die Migranten aus Lateinamerika abzuhalten. Wer einmal in Tijuana war, der weiß: Diese Mauer gibt es schon.

An der Grenze trifft man Sehnsüchtige, Verzweifelte, Gestrandete und Gescheiterte

Etwa ein Drittel der gut 3000 Kilometer langen Grenze zwischen Mexiko und den USA ist seit vielen Jahren mit Wellblech, Maschendraht, Stahlstreben oder Metallplatten versperrt. Ein weiteres Drittel wird von Drohnen, Wärmekameras und Grenzpolizisten überwacht. Der Rest ist nahezu undurchdringliche Wüste.

Wenn man ein paar Tage als Reporter auf der mexikanischen Seite dieser Grenze entlang reist, dann trifft man vor allem Sehnsüchtige, Verzweifelte, Gestrandete und Gescheiterte. Man kann auch denjenigen begegnen, die diesen Menschen ihr letztes Geld abnehmen: Die Schleuser, die sich selbst Kojoten oder Polleros (Hühnerzüchter) nennen - und zu ihren Kunden Pollos sagen, die Hühner. Am Ende dieser Reise bleibt einem aber vor allem die Geschichte von Teresa B. im Kopf, eine kleine Geschichte, die allen Wahrscheinlichkeiten und Realitäten spottet.

Die junge Venezolanerin fasste einen Plan, den jeder, dem sie davon erzählte, für vollkommen verrückt hielt. Sie hatte gesehen, dass es am Strand von Tijuana eine kleine Lücke im Zaun gibt, weil sich der Sand bewegt, und deshalb auch die Stahlpfosten der Grenzbarriere. Sie wusste natürlich, dass dahinter die Agenten der US-Border-Patrol Wache halten. Ihre Idee war, durch die Lücke zu schlüpfen, sich von den Grenzschützern festnehmen zu lassen und politisches Asyl zu beantragen. Das haben schon viele versucht, bei Nacht und Nebel vor allem. Die Border Patrol hat alle aufgegriffen und, bevor sie einmal "Asyl" sagen konnten, wieder auf der anderen Zaunseite abgesetzt. Teresa B. lief an einen sonnigen Tag im Februar los. Mittags um zwölf. Am Horizont sah sie die Silhouette von San Diego, Kalifornien.

Trump hat die Regeln zur Abschiebung illegaler Immigranten gerade noch einmal deutlich verschärft. Wer weniger als 14 Tage im Land war und nicht mehr als 100 Kilometer von der Grenze entfernt aufgegriffen wurde, der konnte aber auch schon vorher umgehend deportiert werden. Weder nach den alten noch nach den neuen Regeln hatte Teresa B. den Hauch einer Chance. Eigentlich.

Ende Februar meldete sie sich per Skype bei einer Mexikanerin, die sie in Tijuana getroffen hatte. Neben ihr im Bild war ihr Freund Julio. "Vielen Dank für die Unterstützung und schöne Grüße aus Los Angeles", sagte Teresa B.

Rund 1130 Kilometer Zaun, über 19 000 Grenzbeamte, fast 350 Wachtürme, gut 15 000 Sensoren und fast 2000 Flutlichter gibt es bereits, um die südliche US-Grenze zu sichern. Ein irrsinniger Aufwand, der trotzdem erst der Anfang des Irrsinns ist, falls Trumps Mauer tatsächlich gebaut wird. Teresa B. ist einfach mal losgewandert. Immer am Strand entlang Richtung Norden. Niemand hielt sie auf.

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