Süddeutsche Zeitung

Migration:Mexiko beugt sich dem Druck von Trump

  • Mexiko schickt 6000 Nationalgardisten an die Grenze zu Guatemala, um Migranten aufzuhalten.
  • Es handelt sich um eine symbolische Geste an die USA, um die drohenden US-Strafzölle abzuwenden - de facto hat Mexiko seine Flüchtlingspolitik längst verschärft.
  • Langfristig wird die Maßnahme die Migranten nicht stoppen können, da die Lage in den mittelamerikanischen Herkunftsländern verheerend ist.

Von Benedikt Peters

Die Menschen schwenkten Friedensfahnen und flehten, man möge sie ziehen lassen, doch es sollte ihnen nichts nutzen. Soldaten und Polizisten stoppten die Migrantenkarawane auf der Autobahn, wenige Kilometer hinter der mexikanisch-guatemaltekischen Grenze. Auf Videos ist zu sehen, wie manche Menschen schreien, vor Wut, vor Verzweiflung. Einigen gelingt die Flucht. Für die anderen geht es ins nächste Abschiebegefängnis im nahen Tapachula.

Die jüngste Massenfestnahme von Migranten in Mexiko ereignete sich am vergangenen Mittwoch, keine zwei Stunden, bevor Außenminister Marcelo Ebrard bei US-Vizepräsident Mike Pence vorsprach. Es könnte die vorerst letzte Festnahme dieser Art gewesen sein, denn nach Tagen des Verhandelns in Washington hat Mexikos Außenminister nun angekündigt, das Land werde 6000 Nationalgardisten an die Grenze zu Guatemala schicken. Die Migranten, die von dort kommen, sollen es erst gar nicht nach Mexiko schaffen.

Ebrards Ankündigung ist ein Symbol des Entgegenkommens im Handelsstreit mit den USA - in diesem Streit, in dem es ohnehin vor allem um Symbole zu gehen scheint. US-Präsident Trump hat mit der Einführung von Zöllen auf mexikanische Produkte gedroht, wenn das Land nicht härter durchgreife, um die illegalen Grenzübertritte an der US-Südgrenze zu unterbinden. Am kommenden Montag sollen sie eingeführt werden und von anfänglich fünf auf bis zu 25 Prozent im Oktober steigen - was desaströse Folgen für die mexikanische Wirtschaft hätte, da der Außenhandel zu einem Großteil auf den Nachbarn im Norden ausgerichtet ist. Um das abzuwenden, hat Mexikos Außenminister in den vergangenen Tagen viele Gespräche in Washington geführt, einen Durchbruch aber gab es noch nicht.

Mit seiner Drohung zeichnet Trump das Bild eines Landes, dass die Migranten einfach in Richtung USA durchwinke und das nun zur Ordnung gerufen werden müsse, da die Festnahmen von Migranten an der US-Südgrenze zugenommen haben. De facto hat Mexiko aber längst seine Flüchtlingspolitik umgestellt und repressive Maßnahmen eingeführt.

Als Präsident Andres Manuel López Obrador Anfang Dezember ins Amt kam, da hatte er noch einen freundlichen Kurs angekündigt. Er ließ Transitvisa an Flüchtlinge verteilen, viele erhielten zudem eine einjährige Arbeitsgenehmigung. Die Menschen, die Mexiko durchqueren, um in die USA zu gelangen, stammen meist aus verarmten und unsicheren Staaten Mittelamerikas, aus Honduras oder El Salvador. In den Monaten danach kamen aber so viele Menschen - nach Schätzungen waren es von Januar bis März allein 300 000 - dass López Obrador umschwenkte.

Nun werden immer mehr Migranten festgenommen, viele von ihnen müssen zurück in ihre Heimat. Allein im April gab es 15 000 Abschiebungen. Nach Medienberichten gibt es zudem immer wieder Razzien in Flüchtlingsunterkünften, oft schlägt die Polizei nachts zu. "Die Maßnahmen sind so hart wie bei keiner mexikanischen Regierung zuvor", sagt die Migrationsexpertin Luicy Pedroza. "Und sie sind genau das Gegenteil von dem, was López Obrador angekündigt hat."

Trotz des Abschreckungskurses ist die Zahl der Menschen, die versuchen, die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überqueren, zuletzt jedoch um ein Drittel gestiegen, darauf bezieht sich auch Trump. Im Mai nahmen US-Behörden etwa 130 000 Migranten fest. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die tiefer liegenden Ursachen der Flüchtlingsbewegung bisher nicht angegangen werden.

In Staaten wie Honduras, El Salvador oder Guatemala fehlen die ökonomischen Perspektiven. Noch größer ist das Problem mit den Maras, bewaffneten Banden, die die Bevölkerung terrorisieren. Viele Migranten erzählen, wie sie bedroht wurden, wenn sie kein Schutzgeld mehr bezahlen konnten, wie Verwandte erschossen wurden. Und wie sie sich dann auf den Weg machten, um nicht als nächstes an der Reihe zu sein.

Die mexikanische Regierung hat gemeinsam mit den Vereinten Nationen und den betroffenen Staaten einen Plan vorgelegt, mit dem die Probleme in El Salvador, Guatemala und Honduras gelöst werden sollen. In den nächsten zehn Jahren sollen zehn Milliarden Dollar in Bildung, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung der Länder fließen.

Bei einer Deutschlandreise vor wenigen Tagen warb Mexikos Außenminister Ebrard bei seinem deutschen Kollegen Heiko Maas für den Plan, Experten zufolge stieß er auf Wohlwollen. In den USA allerdings hatte er weniger Glück. Ende Mai hatte Außenminister Pompeo zum zweiten Mal kurzfristig seine Teilnahme an einem Treffen mit Ebrard abgesagt, bei dem es um den Plan gehen sollte. Der Grund: Präsident Trump hatte ihn zu sich bestellt.

Ohnehin scheint die US-Regierung wenig Interesse an einer Entwicklung in Mittelamerika zu haben, Ende März erst hatte Trump angekündigt, den dortigen Ländern Hilfen zu streichen. "Das Signal ist: Wir wollen von eurem Plan nichts hören", sagt die Migrationsexpertin Pedroza. Sie vermutet, dass es sich bei den angekündigten Strafzöllen vor allem um ein Wahlkampfmanöver Donald Trumps handelt, der sich 2020 zur Wiederwahl stellen will. "Mit seinen Plänen für einen Mauerbau ist er gescheitert - und das ist nun die Alternative." Bis Montag haben die Länder noch Zeit, sich zu einigen. Ansonsten wäre es ein Wahlkampfmanöver, das die Mexikaner und die mittelamerikanischen Migranten teuer bezahlen müssten.

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