Tijuana:Die Migranten aufzuhalten ist aussichtslos

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An der Grenze zwischen Mexiko und den USA kommen viele Migranten nicht mehr weiter. Viele von ihnen kampieren in der Sporthalle Benito Juarez. (Foto: dpa)

Mexiko schiebt 98 Mittelamerikaner ab, die versucht haben, in die USA zu kommen. Doch die Migration wird sich so wohl nicht eindämmen lassen. Deshalb kämpft das Land nun um einen Marshall-Plan.

Von Sebastian Schoepp, München

Wenn Mexikos neuer Präsident Andrés Manuel López Obrador an diesem Samstag in einer feierlichen Zeremonie sein Amt antreten wird, wird er sich zuerst mit einem Problem auseinandersetzen müssen, das er eigentlich nicht sehr weit oben auf der Agenda hatte: Der Migration aus Zentralamerika.

Der Versuch Hunderter Migranten, am Sonntag die Grenzanlagen zu den USA bei Tijuana zu stürmen, hat Handlungsbedarf geschaffen. Obwohl noch nicht im Amt, rief López Obrador am Montag sein künftiges Kabinett zu einer Sondersitzung zusammen. Die noch amtierende Regierung des scheidenden Präsidenten Enrique Peña Nieto kündigte derweil an, Migranten, die versucht hätten, Grenzanlagen zu durchbrechen, auszuweisen. Der Chef der Migrationsbehörde sagte, 98 bereits Inhaftierte würden abgeschoben.

Ob der linksgerichtete López Obrador bei dieser Politik bleibt, ist noch die Frage. Die innenpolitische Debatte ist eher geprägt von anderen Problemen wie der Korruption, verschiedenen Volksabstimmungen zu Infrastrukturprojekten und einer geplanten Justiz- und Polizeireform, mit der López Obrador effektiver gegen organisierte Kriminalität vorgehen will.

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Laut Medien hat López Obrador aber bereits in den vergangenen Wochen begonnen, hinter den Kulissen mit den USA etwas auszuhandeln, das nichts Geringeres als eine Art "Marshall-Plan" für Zentralamerika werden soll. Bis Ende Mai soll er fertig sein. Der Plan geht von der Feststellung aus, dass der Versuch, die Migranten aufzuhalten, aussichtslos sein dürfte. Laut Quellen im künftigen Außenministerium sollen die USA überredet werden, Milliarden in Infrastrukturmaßnahmen von Südmexiko bis Honduras zu stecken.

Das wäre das Gegenteil dessen, was US-Präsident Donald Trump bisher plant. Er drohte damit, Strukturhilfen für Länder wie Honduras, El Salvador und Guatemala zu streichen, wenn diese die Migranten nicht aufhalten. Trump twitterte am Sonntag: "Es wäre sehr klug, wenn Mexiko die Karawanen weit vor der Südgrenze stoppen würde." Falls nötig, werde die US-Regierung die Grenze dauerhaft schließen, drohte er - ohne konkreter zu werden.

Bis ein solcher "Marshall-Plan" ausgehandelt wäre, würde Mexiko die Migranten auf seinem Territorium dulden, aber nur diejenigen, die Asyl in den USA beantragen, so die Quellen im Ministerium. Erfahrungsgemäß ist das die Minderzahl, denn die Migranten wissen, dass Not und Elend kein Asylgrund in den USA sind. Meist diffundieren sie in die obskure Welt des Grenzlandes, schlagen sich mit Jobs in der Illegalität durch und warten auf ihren Moment, doch noch in die USA zu schlüpfen.

Tausende Mexikaner pendeln zwischen Mexiko und Kalifornien hin und her, sie fühlen sich durch die Neuankömmlinge beeinträchtigt, vor allem wenn der Grenzübergang San Ysidro ihretwegen geschlossen wird, wie das Ende vergangener Woche kurzzeitig der Fall war.

Mexikanische Migrationsexperten sagten, den Menschen werde ein aussichtsloses Ziel vorgegaukelt

Der scheidende Präsident Peña Nieto hatte den Mittelamerikanern - wohl auf Druck der USA - zuerst angeboten, im Land bleiben zu können, was einige Tausend akzeptierten. Das aber hat fremdenfeindliche Strömungen im Norden wach werden lassen. Tijuanas Bürgermeister Juan Manuel Gastélum sagte, seine Stadt sei überfordert mit dem Ansturm.

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Der Bürgermeister befürchtet, dass die Migranten mehr als ein halbes Jahr in Tijuana ausharren, bis ihr Asylantrag vom US-Grenzschutz bearbeitet wurde. Die Stadt hat den "humanitären Notstand" ausgerufen. Gastélum gehört der konservativen Partei PAN an, es ist nicht auszuschließen, dass diese Druck auf den linksgerichteten López Obrador ausüben will.

Kritik gibt es zunehmend an den Organisatoren der caravana, meist wird die regierungsunabhängige Organisation Pueblo sin fronteras genannt, Völker ohne Grenzen. Migrationsexperten sagten, den Menschen werde ein aussichtsloses Ziel vorgegaukelt - der Grenzübertritt in die USA. "Es gibt einen negativen Faktor, und der heißt Pueblo sin fronteras", zitieren Medien den in Mexiko sehr bekannten Geistlichen Alejandro Solalinde, der eine Herberge für Migranten betreibt und den Nationalen Menschenrechtspreis dafür erhielt. In Reihen der NGO befänden sich Menschen mit radikalen Ansichten, die nicht aus Nächstenliebe handelten, sagte er.

Oppositionelle wie der honduranische Aktivist Bartolo Fuentes hatten kein Hehl daraus gemacht, dass sie die Bildung der caravans gefördert hätten, um den Migranten mehr Sichtbarkeit zu verleihen und Druck auf Regierungen auszuüben, endlich etwas an den katastrophalen Zuständen in ihren Ländern zu ändern. Dem umstrittenen Präsidenten von Honduras, Juan Orlando Hernández, ist bisher nichts viel Besseres eingefallen, als an internationale Konzerne zu appellieren, in seinem Land zu investieren. Davor schrecken aber viele wegen der Gefahren zurück. Der deutsche Turbinenbauer Voith stoppte 2016 Lieferungen für ein Staudammprojekt, nachdem die honduranische Umweltaktivistin Berta Cáceres ermordet worden war.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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