Süddeutsche Zeitung

Mexiko:Oberstes Gericht legalisiert Abtreibungen

Beanstandet hat es nur das Strafgesetz eines Bundesstaates. Doch die einstimmige Entscheidung dürfte Signalwirkung für das ganze Land haben. Mexiko könnte damit Argentinien folgen.

Mexikos Oberster Gerichtshof hat einstimmig die Kriminalisierung von Abtreibungen und damit verbundene Strafen für verfassungswidrig erklärt. Konkret beschäftigte sich das Gericht mit einer Bestimmung im Strafgesetzbuch des Bundesstaates Coahuila, die Frauen für alle Abtreibungen im Frühstadium der Schwangerschaft bestraft und ihnen unabhängig von den Gründen mit ein bis drei Jahre Gefängnis droht. Beobachter rechnen damit, dass der Schritt zu einer Liberalisierung der Gesetzeslage im gesamten Land führen könnte. Das katholisch und konservativ geprägte Mexiko würde mit einem solchen Schritt Argentinien folgen, wo im vergangenen Jahr Abtreibungen auch ohne medizinischen Grund für legal erklärt worden sind.

Richterin Margarita Rios-Farjat sagte, im Namen des Lebens würden "Frauen bestraft, weil sie unwissend oder promiskuitiv" seien. Oder nicht bereit, die Schwangerschaft auszutragen, um das Baby zur Adoption freizugeben. Es gehe nicht um das Recht auf Abtreibung, sondern um das Recht, freie Entscheidungen treffen zu können. Die bisherige Regelung im Bundesstaat Coahuila verletzte Frauen in ihrem Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.

Die Entscheidung fiel wenige Tage, nachdem sich der Oberste Gerichtshof der USA geweigert hatte, ein Gesetz im benachbarten Texas zu blockieren, das Abtreibungen nach sechs Wochen verbietet und Klagen gegen Ärztinnen und Ärzte ermöglicht, die dennoch solche Abbrüche vornehmen.

Mexikos katholische Kirche reagierte bestürzt auf das Urteil. Unmut in konservativen Kreisen löste auch die Entscheidung der Richter aus, in ihren Ausführungen nicht nur von schwangeren Frauen, sondern auch von "Personen" zu sprechen, "die schwanger sein können" und damit zum Beispiel auch Transpersonen einzuschließen, die diese Fähigkeit haben.

In Mexiko gibt es bisher keine einheitliche Regelung. Bisher waren nur in der Hauptstadt und in vier der 31 Bundesstaaten Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen erlaubt. Drei Bundesstaaten haben erst in den vergangenen zwei Jahren Beschränkungen aufgehoben.

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