Metropolen:Kubanischer Filter

Wie man in Havanna Brühe in Wasser verwandelt und warum Moskauer ihr Trinkwasser lieber im Supermarkt kaufen. Drei Beispiele der Mangelverwaltung.

Von Benedikt Peters, Silke Bigalke und Lea Deuber

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Den Kubanern wird nachgesagt, im Angesicht des Mangels äußerst kreativ zu sein. So ist es auch beim Wasser. Die Brühe, die zum Beispiel in den Häusern Havannas aus den Hähnen fließt, ist ungenießbar und wimmelt von Krankheitserregern. Im Supermarkt ist das Wasser aber so teuer, dass es sich nur die Reichen leisten können, die es natürlich auch im real existierenden Sozialismus gibt. Da Wasserfilter ebenfalls sehr schwer zu bekommen sind, behilft sich der gewöhnliche Kubaner mit einem Handtuch. Das Wasser wird abgekocht und dann durch das Handtuch gekippt - und dann kann man es, eine gewisse körperliche Robustheit vorausgesetzt, tatsächlich trinken, ohne krank zu werden.

Doch auch die erfinderischen Habaneros, wie die Bewohner Havannas genannt werden, kommen inzwischen an ihre Grenzen. Denn immer wieder kommt nicht einmal mehr Brühe aus den Hähnen. Das hat nur bedingt mit der Misswirtschaft der Regierung zu tun, die zu spät damit begonnen hat, die maroden Leitungen zu sanieren. Es liegt vielmehr an einem Phänomen, für das auch die kommunistischen Kader nichts können. Längst hat die Klimakrise auch Kuba heimgesucht, seit der Jahrtausendwende ist es im Schnitt um ein Grad wärmer geworden. Zwischen 2014 und 2017 litt die Insel unter einer extremen Dürre, Medienberichten zufolge war es die schlimmste in 115 Jahren. Wasserspeicher trockneten aus, Tiere starben, es kam zu Missernten. Nach offiziellen Zahlen waren etwa 800 000 Menschen zeitweise von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Immer wieder treffen Wirbelstürme die Insel, im August 2017 etwa hinterließ der Hurrikan Irma besonders schwere Verwüstungen. Mindestens zwölf Menschen kamen ums Leben, tagelang waren etliche Haushalte ohne Strom und ohne Wasser.

Kuba ist damit nicht allein, nahezu jedes Land in Lateinamerika und der Karibik hat in den vergangenen Jahren seine eigene Wasserkrise erlebt - und das, obwohl der Kontinent über zwei Drittel der weltweiten Süßwasserreserven verfügt. Diese aber sind ungleich verteilt, und diese Unterschiede werden stärker. Mexiko-Stadt etwa, Boliviens Hauptstadt La Paz oder bestimmte Gegenden in Peru haben immer wieder mit Wassermangel zu kämpfen.

Auf Kuba erinnern sie sich angesichts der Probleme übrigens gerne an den verstorbenen Máximo Líder Fidel Castro. Der hatte nämlich schon 1992 in einer Rede vor den Vereinten Nationen vor der Erderwärmung und ihren verheerenden Folgen gewarnt. Ausschnitte aus dieser Rede zeigt das Staatsfernsehen nun in stoischer Regelmäßigkeit. Benedikt Peters

Frisch aus der Wolga

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Beim Abendessen mit Freunden tauchte wieder einmal die Frage auf: Wie soll man duschen, wenn Warmwasser abgeschaltet ist? Manche greifen dann auf Wasserkocher und Tauchsieder zurück, um sich wenigstens ein bisschen warmes Wasser über den Kopf kippen zu können. Glückliche Mieter können auf einen Boiler ausweichen. Manche gehen in die Sauna oder zu Freunden. "Wann ist bei dir das Wasser kalt?", diese Frage klingt in Moskau fast so normal wie die nach den Urlaubsplänen. Jeden Sommer wird in einem Moskauer Wohnviertel nach dem anderen die Leitung zugedreht. In dieser Zeit, so heißt es, erneuere das Versorgungsunternehmen das System, tausche Rohre aus, mache alles winterfest. Etwa zehn Tage dauert das jedes Jahr.

Es war Katharina die Große, die das Moskauer Wasserversorgungssystem vor 240 Jahren in Auftrag gab. Die erste Pipeline brachte Wasser von einer natürlichen Quelle im Nordosten der Stadt nach Moskau. Als diese Quelle versiegte, wurde Wasser aus der Moskwa gepumpt. Und als auch das nicht mehr reichte, nutzten die Moskauer das Wasser aus dem heutigen Moskaukanal. Der hieß früher Moskwa-Wolga-Kanal, ist fast 130 Kilometer lang und verbindet die beiden Flüsse. Stalin hatte den Kanal in den Dreißigerjahren von Zwangsarbeitern bauen lassen. Über ihn liefert die Wolga bis heute einen großen Teil des Wassers, das die Moskauer verbrauchen.

Das Wasser muss natürlich gereinigt und geklärt werden, bevor es in die Haushalte kommt. Wenn es dort aus den Hähnen fließt, riecht es allerdings oft nach Chlor und schmeckt auch so. Filtern oder Kochen empfehlen die Behörden. Viele aber nutzen das Leitungswasser nur zum Duschen und für die Wäsche, und lassen sich Trinkwasser liefern, in großen 19-Liter-Kanistern. Oder sie kaufen Flaschen im Supermarkt, in denen jedoch mitunter auch nur gefiltertes Leitungswasser steckt.

Kürzlich war dieses "gefälschte" Wasser wieder ein großes Thema in russischen Medien. Der Verkauf dieser Flaschen sei "der größte Betrug des 21. Jahrhunderts", schrieb die Zeitung Argumenty i Fakty halb im Ernst. Auf den meisten Etiketten stünde irgendwo klein, dass es sich um aufgearbeitetes Wasser aus der Leitung handele. Dabei koste ein Liter in der Flasche im Supermarkt etwa tausend Mal so viel wie ein Liter aus der Leitung daheim. Der Chef von Rostec, dem staatlichen Technologieunternehmen, hatte bereits eine Idee, wie man das lösen könnte. Mit einer Art Kennzeichen, einem Gütesiegel für echtes Trinkwasser. Ob das vor Wasserfälschungen schützt? Silke Bigalke

In Peking muss es fließen

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Ein Ort zwischen Reisfeldern mit Quellen, die mehr als einen halben Meter in die Luft sprudelten. Wenn ältere Pekinger über ihre Kindheit in der chinesischen Hauptstadt erzählen, dann klingt es manchmal wie Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Heute leben die Menschen in der Metropole auf engstem Raum zwischen Glastürmen und mehrstöckigen Hochstraßen. Pflanzen sind höchstens noch aus Plastik. Die Folgen der dichten Besiedlung sind wie Krankheiten, schreibt die Staatspresse. Ihre Symptome: überlastete Ämter und Behörden, überfüllte Schulen und Krankenhäuser sowie Dauerstau und Umweltverschmutzung. Auch Wasserknappheit zählt dazu.

Während die Weltbank bereits von Wasserknappheit spricht, wenn im Jahr weniger als 500 Kubikmeter Wasser pro Kopf zur Verfügung stehen, sind es in Peking nicht einmal 145. Jedes Jahr sinkt der Wasserspiegel um elf Zentimeter. 40 Prozent des Wassers sind so verschmutzt, dass es sich weder als Trinkwasser noch für die Landwirtschaft oder Industrie nutzen lässt. Wer es sich leisten kann, lässt sich Trinkwasser aus der Flasche liefern, Gemüse wird mit Essig gewaschen. Beim Zähneputzen gilt, lieber nichts zu schlucken.

Trotz Knappheit aber kommt Wasser in der Stadt verlässlich und das ganze Jahr über aus dem Hahn. Eine erzwungene Rationierung wäre aus Sicht vieler Pekinger ein Politikversagen, das sich ein Einparteienstaat wie China nicht leisten kann. Die Kommunistische Partei verspricht dem Volk Wohlstand und fordert dafür ihr politisches Stillschweigen. Vielen ist der Ernst der Lage deshalb auch gar nicht bewusst.

Um den Durst der Stadt zu stillen, hat Peking seit 2002 mehr als 4350 Kilometer Kanäle und Tunnel quer durchs Land graben müssen. Über diese wird Wasser aus Süd- und Zentralchina in den Norden transportiert. Gleichzeitig versucht die Regierung, die Einwohnerzahl der wachsenden Metropole langfristig bei unter 23 Millionen Menschen zu halten. Dafür sollen Ministerien und Staatsunternehmen an den Rand der Stadt ziehen. Präsident Xi Jinping träumt davon, Peking, Tianjin und die Nachbarprovinz Hebei zu einer Megametropole zu verschmelzen, die Peking als Herz der Region entlastet.

Die erste Maßnahme vor zwei Jahren war allerdings zunächst die gewaltsame Vertreibung Hunderttausender Menschen, die in der Hauptstadt meist als Wanderarbeiter lebten. Über Nacht zerstörte die Polizei viele ihrer Wohnungen. Tausende flohen aus Angst. Seitdem ist die Einwohnerzahl Pekings zum ersten Mal wieder gesunken. Lea Deuber

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