Gewaltkriminalität:„Das wird ganz schnell passieren“

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bei einer Pressekonferenz nach dem Attentat von Solingen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Nach Solingen will die Bundesregierung Messerverbote ausweiten. Bewegen muss sich hier vor allem die FDP. Und es werden weitere Maßnahmen diskutiert.

Von Markus Balser, Constanze von Bullion, Berlin

Es sollen nun also wirksame Instrumente gegen Gewalt und Terror her, und zwar sofort: Nach dem Messerattentat in Solingen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. „Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren“, sagte er am Montag in Solingen. Dort hatte ein Mann am Freitag mit einem Messer auf Besucher eines Stadtfests eingestochen. Drei Menschen starben, ein 26 Jahre alter Syrer hat sich zu der Tat bekannt, die Bundesanwaltschaft ermittelt, ob er der Terrormiliz „Islamischer Staat“ angehört – und die Bundesregierung steht unter massivem Druck.

Wie kann und will die Koalition auf den Anschlag reagieren?

Ginge es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), käme ihr Entwurf für die Verschärfung des Waffenrechts sofort ins Kabinett. Er soll nicht nur den Kauf und die Nutzung gefährlicher Schusswaffen erschweren. Auch das Führen bestimmter Messer will Faeser einschränken. Schon jetzt ist es verboten, auf öffentlichen Plätzen ein Einhandmesser zu führen und stehende Messer mit einer Klinge von mehr als zwölf Zentimetern. Faeser will in der Öffentlichkeit nun auch kleinere Messer verbieten, ab einer Klingenlänge von sechs Zentimetern. Gewöhnliche Haushaltsmesser sollen nur noch in einer Verpackung transportiert werden dürfen. Die Länder forderte die Ministerin auf, an stark besuchten Orten Messerverbotszonen auszuweiten.

Warum ist diese Reform noch nicht in Kraft?

Weil die FDP das Vorhaben bisher für unsinnig hielt. FDP-Chef Christian Lindner, der selbst gern auf die Pirsch geht, will die Rechte von Jägern und Schützen nicht einschränken. Und Faesers Vorschläge zu Messerverboten hielten die Liberalen bislang für einen Eingriff in die persönliche Freiheit, der im Kampf gegen Messergewalt wenig helfe. Die Polizei könne gar nicht flächendeckend kontrollieren, was Passanten in der Tasche trügen, hieß es. Und einen Attentäter wie in Solingen halte auch ein Verbot längerer Klingen nicht auf. „Wir wollen, dass bestehende Gesetze besser umgesetzt werden. Was wir nicht wollen, ist Symbolpolitik“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, der Süddeutschen Zeitung. Weil das Entsetzen über die Bluttat von Solingen aber groß ist und die Bundesregierung in Bedrängnis bringt, setzen sich Justizminister Marco Buschmann und seine Parteifreunde nun in Bewegung.

Stimmt die FDP nun Faesers Waffenrechtsreform zu?

Höchstens in Teilen. Verschärfte Regeln für Schusswaffen lehnt die FDP weiter ab. Sie hält auch wenig davon, in der Öffentlichkeit nur noch Messer mit Klingen bis zu sechs Zentimetern zu erlauben. Fälle wie in Solingen verhindere das nicht. Auch mit einer kurzen Klinge lasse sich töten. Allerdings traten Faeser und Buschmann am Montag vor die Presse, um ihre Entschlossenheit zu einem Kompromiss zu demonstrieren. Details verrieten sie nicht. Buschmann ließ nur wissen, es dürfe bei der Verschärfung des Waffenrechts „keine Tabus“ geben. Denkbar wäre nach Informationen aus Koalitionskreisen zum Beispiel, das individuelle Trageverbote für Messer auszuweiten. In einigen Städten Nordrhein-Westfalens untersagt die Polizei einschlägig vorbestraften Straftätern, Messer mitzuführen. Werden sie bei Kontrollen mit solchen Waffen erwischt, werden Geldstrafen verhängt. In der FDP gilt das als praktikable Maßnahme – wenn sie durchgesetzt wird.

Welche Maßnahmen sind noch auf dem Tisch?

Verhandelt wird in der Koalition derzeit auch, die Befugnisse der Bundespolizei auszuweiten. Sie kontrolliert Züge und Bahnhöfe, darf dort bisher aber keine anlasslosen Kontrollen durchführen, um etwa Messer bei Fahrgästen zu finden. Die SPD will das ändern, mit einer Reform des Bundespolizeigesetzes. Die hängt allerdings seit Monaten im Bundestag fest. In einer Sondersitzung des Innenausschusses am Freitag könnte das Thema nun diskutiert werden. Auch die FDP zeigt sich inzwischen grundsätzlich aufgeschlossen dafür, die Befugnisse der Bundespolizei zu erweitern, um die Sicherheit an Bahnhöfen zu verbessern.

Bekommt die Polizei neue Kompetenzen bei der Terrorabwehr?

Das ist noch umstritten. Nancy Faeser plant neue Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA). Haben Ermittler einen Terrorverdacht, sollen sie heimlich in Wohnungen und auf Rechner Verdächtiger eindringen dürfen. Bisher ist das verboten. Faeser will solche Maßnahmen nur in Ausnahmefällen ermöglichen, wenn unmittelbare Gefahr droht und der Zeitdruck der Ermittler groß ist. Das BKA soll zudem künftig digitale Programme zur Gesichtserkennung einsetzen dürfen und Fotos oder Videos von Verdächtigen mit Bildern in sozialen Netzwerken abgleichen. Damit sollen nicht nur Verdächtige, sondern auch Kontaktpersonen identifiziert werden. In der Bürgerrechtspartei FDP stößt das auf Gegenwehr. Justizminister Buschmann lehnte das Vorhaben rundweg ab. Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern.

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