Unionsklausur:Merz denkt schon ans Regieren

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Friedrich Merz empfindet Markus Söders Wortmeldungen zur Kanzlerkandidatenfrage „nicht als eine Störung des inneren Friedens“. Sagt er. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der CDU-Chef will, dass die Union im Bundestag aus der Oppositionsrolle herauskommt und sich auf die Zeit nach der Bundestagswahl einstellt. Doch da wäre noch eine wichtige Frage zu klären.

Von Robert Roßmann, Neuhardenberg

Der nächste Bundestag wird erst in einem Jahr gewählt. Aber wenn man Friedrich Merz an diesem Freitag erlebt, hat man den Eindruck, dass für ihn schon sicher ist, wer anschließend regieren wird. Die Spitze der Unionsfraktion ist in Schloss Neuhardenberg zusammengekommen, einer weitläufigen Anlage in den Tiefen Brandenburgs. Merz steht im Schlosspark, um über die Beratungen zu berichten. Und er hält sich nicht lange mit Kritik an der Ampelkoalition auf.

Stattdessen sagt der CDU-Chef: „Wir müssen in den ersten Tagen nach einer Regierungsübernahme im nächsten Jahr sowohl in der Frage der Migration, wenn’s denn bis dahin nicht gelöst ist, als auch in der Frage der Energieversorgung bis hin zur Wirtschaftspolitik schnelle Entscheidungen treffen, damit dieses Land wieder auf Kurs kommt.“ Dazu zähle „vor allen Dingen Verlässlichkeit und Stetigkeit der politischen Entscheidungen“. Es dürfe keine „erratischen Ausschläge“ wie in der Politik der Ampelkoalition mehr geben. Merz möchte, dass die Unionsfraktion nicht nur ihre Oppositionsrolle gegen die Ampel erfüllt. Er will, dass die Union auch umfassend auf die eigene Regierungsübernahme vorbereitet ist.

In Neuhardenberg hat die Fraktionsspitze ausgiebig über die Migrationspolitik, die innere Sicherheit und die Frage beraten, wie aus dem schwerfälligen Deutschland wieder ein moderner Staat werden kann. Demnächst soll es auch verstärkt um die Sozialpolitik gehen. Hier gibt es in der CDU noch viel von dem, was man gerne inhaltliche Leerstellen nennt. In einer Woche wird der Arbeitnehmerflügel der Partei zum ersten Mal seit fast 20 Jahren einen neuen Vorsitzenden wählen. Der Europaabgeordnete Dennis Radtke soll den ewigen Chef Karl-Josef Laumann an der Spitze ablösen. Zu der Bundestagung des Arbeitnehmerflügels in Weimar wird auch Merz kommen. Man darf gespannt sein, wie der ehemalige Wirtschaftsrat-Vizepräsident dort auftreten wird.

Die CDU stellt sich also schon mal auf die mögliche Regierungsübernahme ein. Aber bevor man regieren kann, muss man ja erst einmal die Wahl gewinnen. Und davor einen Kanzlerkandidaten aufstellen. Womit man bei einem Problem wäre, über das in Neuhardenberg nicht öffentlich gesprochen wurde: Markus Söder.

Söder bringt sich in immer schnellerem Takt selbst ins Spiel

Über die Kanzlerkandidatur hat die Union bekanntermaßen noch nicht entschieden. Es gilt inzwischen aber als sicher, dass es auf Friedrich Merz hinauslaufen wird. Doch bisher will Markus Söder das nicht wahrhaben.

Der CSU-Chef scheint immer verzweifelter darüber zu sein, dass ihn trotz seiner vergleichsweise guten Beliebtheitswerte niemand von Rang aus der CDU als Kanzlerkandidaten haben will. Söder hat – richtigerweise – einmal gesagt, ein CSU-Chef könne nur dann erfolgreicher Kanzlerkandidat sein, wenn er auch aus der CDU gerufen werde. Aber egal, was Söder macht – es ruft einfach keiner.

Der CSU-Chef bringt sich trotzdem, oder deshalb, in immer schnellerem Takt öffentlich selbst ins Spiel. In dieser Woche zum Beispiel auf dem Gillamoos-Jahrmarkt, im ZDF und im Spiegel. Wie angefressen Söder inzwischen ist, konnte man besonders gut daran erkennen, wie dünnhäutig er im ZDF-Interview auf einen Fernsehbeitrag zu seinem Verhalten reagiert hat. Der Autor des Beitrags wurde in Neuhardenberg von Kollegen mit dem Scherz empfangen, er werde künftig wohl auch an den bayerischen Grenzen zurückgewiesen.

In der CDU schütteln viele nur noch den Kopf über den CSU-Chef

In der CDU-Spitze reagieren sie auf Söders Auftritte inzwischen mit einer Mischung aus Fatalismus und Sarkasmus. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass sich CDU und CSU inhaltlich so nahe stünden wie seit sehr langer Zeit nicht mehr und dass das im Wahlkampf enorm helfe werde. Über Söder schütteln sie aber nur noch den Kopf. „Peinlich“ sei das Auftreten des CSU-Chefs, heißt es da schon mal. Oder Söder müsse aufpassen, dass er es sich nicht auch noch mit den letzten Wohlmeinenden verscherze.

Einer macht sich in Neuhardenberg darüber lustig, dass ausgerechnet Söder gesagt habe, es komme darauf an, dass die Union „unabhängig von Eitelkeiten und Egos“ die beste Lösung biete. Sarkastisch ist auch davon die Rede, dass Söders Verhalten offenbar seine vorweggenommene Trauerarbeit darüber sei, dass er nicht Kanzlerkandidat werde. Aber wenn ihm das helfe, dann nehme man es halt hin.

Und Merz? Der reagiert auf Söder mit einem Maß an Gelassenheit, das ihm ansonsten nicht immer zu eigen ist. Anfang der Woche hatte er zu Söders Äußerung auf dem Gillamoos lediglich knapp gesagt, die hätte doch „keinen Neuigkeitswert“.

Am Freitag, im Schlosspark von Neuhardenberg, wird der CDU-Chef gefragt, wie er den Beitrag Söders „zur Störung des inneren Friedens in der Union bei der Kanzlerkandidaten-Frage beschreiben“ würde. Es ist eine Frage, die zu mancherlei einlädt. Aber Merz sagt nur: „Ich empfinde diesen Beitrag von Markus Söder nicht als eine Störung des inneren Friedens.“ Im Gegenteil – er habe „nichts auszusetzen“.

Zum Abschluss ihrer Klausur wollte sich die Spitze der Unionsfraktion noch zum Bogenschießen im Schlosspark treffen. Ein Teamevent. Söder war – er ist ja kein Mitglied der Unionsfraktion – nicht in Neuhardenberg. Was in gewisser Weise schade war: Man hätte ja gerne gesehen, wie er sich darum bemüht, zumindest beim Bogenschießen gegen Merz zu gewinnen.

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