CDU-Chef Friedrich Merz hat am Donnerstag mit einem Versprechen auf den tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg reagiert. Merz sagte, er werde im Fall seiner Wahl zum Bundeskanzler am ersten Tag seiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz anweisen, „die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“. Es werde „ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen“. Das gelte ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch. Die europäischen Regeln seien „erkennbar dysfunktional, Deutschland muss daher von seinem Recht auf Vorrang des nationalen Rechts Gebrauch machen“.
Die abscheuliche Tat eines afghanischen Asylbewerbers in Aschaffenburg sei „noch einmal eine neue Qualität einer völlig enthemmten Brutalität in Deutschland“, sagte Merz bei seinem Statement auf der Fraktionsebene des Deutschen Bundestags. „Ich weigere mich anzuerkennen, dass die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und jetzt Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland sein sollen.“ Das Maß sei endgültig voll. „Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik.“
Merz verlangt deshalb schon vor der Bundestagswahl Änderungen. „Die Bundespolizei muss endlich das Recht erhalten, Haftbefehle zu beantragen“, sagte der CDU-Chef. Einen dahin gehenden Antrag werde seine Unionsfraktion in der kommenden Woche in den Bundestag einbringen. Es sei schließlich vor allem die Bundespolizei, die regelmäßig an den Grenzen, in den Bahnhöfen und Flughäfen ausreisepflichtige Personen aufgreife. Außerdem sollten künftig ausreisepflichtige Personen, die aufgegriffen werden, „nicht mehr auf freien Fuß gesetzt werden“. Sie müssten stattdessen in Ausreisegewahrsam oder in Ausreisehaft genommen und so schnell wie möglich abgeschoben werden.
„Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich.“
Außerdem müsse der Bund über die Arbeit der Bundespolizei hinaus einen eigenen größeren Beitrag zur Abschiebung ausreisepflichtiger Personen übernehmen. Der Bund dürfe diese Aufgabe den Ländern nicht länger allein überlassen. Abschiebungen und Rückführungen müssten von sofort an täglich stattfinden. Die Zahl der Abschiebungen und Rückführungen müsse endlich größer werden als die Zahl der immer noch täglich illegal Einreisenden. „Nur so bekommen wir das Problem endlich in den Griff.“ Laut Merz fand der letzte Abschiebeflug nach Afghanistan im August des vergangenen Jahres statt.
Der CDU-Chef versprach außerdem, dass mit ihm an der Spitze einer Bundesregierung das Aufenthaltsrecht so geändert werde, dass „jeder ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder in zeitlich unbefristeten Ausreisearrest genommen werden kann, bis er die ihm mögliche freiwillige Ausreise antritt oder die zwangsweise Abschiebung gelingt“. Für genau solche Täter wie den von Aschaffenburg wäre ein solcher Arrest „schon längst möglich und auch erforderlich gewesen“. Eine Ermittlungsrichterin ordnete am Donnerstag an, den 28-Jährigen vorläufig in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen.
Auf die Frage, mit welchem Koalitionspartner er seine Forderungen durchsetzen wolle, mit den Grünen würde sich derlei ja nicht vereinbaren lassen, antwortete Merz: „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Ich sage nur, ich gehe keinen anderen.“ Kompromisse seien „zu diesen Themen nicht mehr möglich“. Die Menschen in Deutschland müssten sich wieder sicher fühlen. „Und wenn der Staat dieses Grundversprechen, Sicherheit für die eigene Bevölkerung zu gewährleisten, nicht mehr in der Lage ist einzuhalten, dann legen wir die Axt an die Grundfesten unserer Demokratie.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wies Merz’ Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung am Donnerstag scharf zurück und warf dem CSU-regierten Bayern schwere Versäumnisse vor. „Die bayerischen Behörden müssen erklären, warum der Täter trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß war“, sagte die SPD-Politikerin in Berlin. „Offenbar sind in Bayern einige Dinge schiefgelaufen.“ Die Reaktion von dort finde sie „befremdlich“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte zuvor wie schon Merz auf Fehler in Berlin verwiesen: „Es reicht. Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Das sind alles keine Zufälle, sondern die Folge einer Kette einer falschen, jahrelangen Migrationspolitik.“
Pannen der Behörden
Allerdings hält auch die Bundesregierung ein härteres Vorgehen bei illegalen Einreisen für nötig. „Dass ein Mensch, der Schutz in Deutschland Schutz gefunden hat, so eine Tat verübt, macht uns alle wütend“, sagte Faeser. „Das nehmen wir nicht hin. Falsch verstandene Toleranz ist hier fehl am Platz.“ Laut Faeser hätte der Täter das Land bereits 2023 verlassen müssen, weil Bulgarien eigentlich für sein Asylverfahren zuständig war. Er habe nur bleiben können, weil Fristen verstrichen seien. Nach dem ähnlich gelagerten Fall des Attentäters von Solingen wirft der Fall damit erneut ein Schlaglicht auf Pannen der Behörden. Denn offenbar hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die bayerischen Behörden zuvor so spät über die Anordnung zur Abschiebung informiert, dass die kaum noch reagieren konnten.
Nach Einführung von Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen war die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland zuletzt deutlich gesunken. Die Zahl der Abschiebungen ist 2024 dagegen um gut 20 Prozent gestiegen. Überstellungen scheitern allerdings immer wieder auch am Widerstand anderer EU-Länder. So nehmen Italien oder Griechenland Geflüchtete meist nicht zurück, auch wenn sie eigentlich nach dem Dubliner Übereinkommen der EU für deren Verfahren zuständig sind. „Wir sehen, Dublin funktioniert nicht mehr“, kritisierte Faeser am Donnerstag.