Bundesregierung„Wir treten nicht unterwürfig auf“

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Bundeskanzler Friedrich Merz bedauert seine Wortwahl nicht, wie er sagt.
Bundeskanzler Friedrich Merz bedauert seine Wortwahl nicht, wie er sagt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Kanzler Friedrich Merz verteidigt die „Drecksarbeit“-Äußerung und kündigt an, dass sich die Koalition ziemlich bald mit der Wehrpflicht beschäftigen muss.

Von Daniel Brössler und Nicolas Richter, Berlin

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will sich in Fragen der internationalen Politik auch künftig mit undiplomatischen Formulierungen zu Wort melden. „Zur Außenpolitik gehört nicht nur Diplomatie, sondern auch analytische Klarheit. Die Bürgerinnen und Bürger spüren sehr genau, wenn die Führung eines Landes herumdruckst“, sagte Merz in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.  Merz hatte die israelischen Militärschläge gegen das iranische Atomprogramm am Rande des G-7-Gipfels mit den Worten begrüßt: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“  Auf die Frage, ob er seine Wortwahl bedauere, antwortete der Kanzler: „Nein.“  Er warnte: „Wenn wir die Dinge nicht beim Namen nennen, übernehmen das die Falschen für uns.“

Merz bekräftigte seine Sympathie für die Angriffe Israels und der USA und wies Forderungen zurück, diese als völkerrechtswidrig einzustufen. So weit wie der Historiker Herfried Münkler, der das Völkerrecht derzeit „ins Feuilleton“ verbannt sehe, wolle er nicht gehen, sagte Merz. „Natürlich gilt das Völkerrecht für uns. Ich will gar keine völkerrechtliche Einordnung vornehmen“, versicherte er.  Ihm stellten sich aber Fragen: „Kann man ernsthaft behaupten, dass Israel gegen Iran einen Präventivschlag geführt hat? Oder wird seit dem 7. Oktober 2023 Krieg geführt gegen Israel mit einer Hamas, die von Iran finanziert wird?“ Israel wehre sich „gegen die Hintermänner dieses Krieges und gegen die existenzielle Bedrohung durch eine iranische Atombombe“.

Merz betonte sein gutes Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump. „Wir haben persönlich einen guten Draht zueinander gefunden. Nach unserem ersten Treffen hat er mir eine SMS geschickt, in der er dies zum Ausdruck brachte“, sagte er. Trump habe nach der Begegnung im Oval Office Anfang Juni offensichtlich das Gefühl gehabt, „dass die Chemie zwischen uns stimmt und wir gut miteinander reden können“. Allerdings ließ Merz Unbehagen über eine von Trump veröffentlichte Direktnachricht des Nato-Generalsekretärs Mark Rutte durchblicken, in der dieser dem US-Präsidenten überschwänglich unter anderem für die Angriffe auf iranische Atomanlagen gedankt hatte. „Ich habe das nicht zu bewerten, schon gar nicht öffentlich. Meine Sprache ist nüchtern, und damit komme ich aus“, betonte er. Europa trete „selbstbewusst auf und nicht unterwürfig“.

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Skeptisch äußerte sich Merz zur Möglichkeit eines Telefonats mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin. „Auf das letzte Telefonat mit meinem Amtsvorgänger folgten Bomben auf ein Kinderkrankenhaus. Wenn das also das Ergebnis solcher Telefonate ist, würde ich noch lange davon Abstand nehmen“, sagte er. Auch US-Präsident Trump zeige gegenüber Putin eine „wachsende Skepsis“ und werde kritischer. In Europa gebe es eine große Übereinstimmung in der Bewertung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. „Ich glaube, Präsident Trump nähert sich dieser Einschätzung an“, sagte Merz. Die Hoffnung, dass Trump doch noch schärferen Sanktionen gegen Russland zustimmt, will der Kanzler nicht aufgeben. „Warten wir mal ab, was in den nächsten Tagen passiert. Es bleibt jedenfalls zunächst bei der Unterstützung der Ukraine durch die USA. Das war ja nicht selbstverständlich“, betonte er.

Merz warnte davor, die von Russland auch für Deutschland ausgehende Gefahr zu unterschätzen. „In Teilen unserer Bevölkerung gibt es eine tiefsitzende Kriegsangst. Ich teile sie nicht, aber ich kann sie nachvollziehen. Prinzipiell ist es richtig, alle Wege zu einem Frieden zu suchen“, sagte er. Nötig sei aber ein realistischer Blick auf die imperialistischen Absichten Russlands. Merz verwies auf die Appeasement-Politik vor dem Zweiten Weltkrieg, die auf eine Beschwichtigung Nazi-Deutschlands ausgerichtet war. „Wir dürfen einen solchen Fehler nicht noch einmal machen“, warnte er. Deutschland sei bislang nicht verteidigungsfähig. „Wir wissen, dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Geld ist ausreichend vorhanden, jetzt fehlen uns noch Personal und Gerät“, sagte er. „Ziemlich bald“ werde man sich mit der Frage der Wehrpflicht beschäftigen müssen.

Als „Etappenziel dieser Wahlperiode“ nannte Merz, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD „stabil über 50 Prozent“ in den Umfragen liege. Dabei wandte er sich insbesondere an die SPD, die am Freitag zu ihrem Parteitag zusammenkam. „Ich habe auch kein Interesse daran, dass die SPD scheitert. Wenn die SPD wieder über 20 Prozent kommt, dann freut mich das genauso, wie wenn wir in der Union wieder über 30 Prozent kommen“, sagte er. Das jüngste ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen sieht die Union bei 29 Prozent. Dahinter liegen die AfD mit 22 Prozent und die SPD bei 15 Prozent.

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