CDU:Der Unterlegene bekommt ein Amt
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Von Robert Roßmann, Berlin
Es ist eine Veranstaltung, bei der man sich unweigerlich in die CDU von vor 20 Jahren zurückversetzt fühlt. Damals war Wolfgang Schäuble Partei- und Fraktionschef, Friedrich Merz sein Vize in der Fraktion - und Roland Koch als frisch gewählter Ministerpräsident von Hessen ein starker Mann in der Partei. Und jetzt sitzen ausgerechnet diese drei Herren gemeinsam auf einem Podium in einem Berliner Hotel. Der CDU-Wirtschaftsrat hat geladen, Merz ist gerade zum neuen Vizepräsidenten des Rats gewählt worden. Schäuble soll mit der "Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold" ausgezeichnet werden - die silberne hat er bereits seit gut 20 Jahren. Koch ist der Laudator. Mehr CDU 1999 geht kaum. Auch weil Annegret Kramp-Karrenbauer, die später ebenfalls reden soll, noch nicht da ist. Die heutige CDU-Chefin war vor 20 Jahren noch nicht einmal saarländische Landtagsabgeordnete.
Merz wollte im vergangenen Jahr statt Kramp-Karrenbauer CDU-Chef werden, Schäuble war dabei sein Mentor. Auch Koch war für Merz. Doch wer dachte, dieser Dienstag beim Wirtschaftsrat könne für Kramp-Karrenbauer unangenehm werden, hat sich getäuscht. Koch verzichtet in seiner Laudatio auf Spitzen gegen die neue Parteichefin, genauso wie Schäuble in seiner Dankesrede.
Der Bundestagspräsident weist darauf hin, dass er noch gemeinsam mit Ludwig Erhard in der Unionsfraktion gesessen habe, macht aber vor allem sehr grundsätzliche Anmerkungen zum Zustand Deutschlands und der anderen westlichen Demokratien. Dabei beklagt er, und das kann man durchaus auch als Kritik an der Bundesregierung verstehen, dass "nicht zu entscheiden" die "Verweigerung von Zukunft" sei. Man müsse Entscheidungen treffen und diese auch umsetzen, wenn man das Vertrauen der Bürger behalten wolle, sagt Schäuble. In Abwandlung eines Satzes des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton ("It's the economy, stupid!") gibt der Bundestagspräsident als Losung aus: "It's implementation, stupid!"
Unternehmerin Astrid Hamker neue Präsidentin des Wirtschaftsrats
Als Kramp-Karrenbauer im Hotel ankommt, sind Schäuble und Koch schon wieder weg. Astrid Hamker, die neue Präsidentin des Wirtschaftsrats, begrüßt die CDU-Vorsitzende freundlich. Hamker gehört zu denen, die sich wünschen, dass es nicht zu lange dauert, bis Kramp-Karrenbauer Nachfolgerin Angela Merkels im Kanzleramt wird - auch weil sie mit den Ergebnissen von Merkels großer Koalition außerordentlich unzufrieden ist.
Kramp-Karrenbauer gelingt es dagegen, Hamker und dem Wirtschaftstag zu gefallen. Den stärksten Beifall bekommt die CDU-Chefin als sie sagt, sie wünsche sich in Deutschland an manchen Stellen etwas "mehr Mut zur Ungeregeltheit". Auch ihr Bekenntnis, die CDU werde weiterhin einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlages anstreben und keinesfalls eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung mittragen, kommt gut an.
Kramp-Karrenbauer bekräftigt aber auch, dass die CDU die große Koalition fortsetzen wolle. Eine Nachfrage, ob der "Mut zur Ungeregeltheit" nicht auch bedeuten sollte, Neuwahlen anzustreben, beantwort Kramp-Karrenbauer mit der Gegenfrage, ob jemand glaube, dass mit den Grünen weniger geregelt werden würde. Die Umfragen sagen den Grünen derzeit Zugewinne bei einer Neuwahl voraus.