Süddeutsche Zeitung

Besuch am Tegernsee:Merz spricht nur als Merz

  • Beim "Ludwig-Erhard-Gipfel" am Tegernsee geht Friedrich Merz in seiner Rede die Politik Angela Merkels an, ohne die Kanzlerin namentlich zu erwähnen.
  • Es sei ein schwerer Fehler gewesen, sagte er, innenpolitisch motivierte Entscheidungen zu treffen, die nicht mit der EU abgestimmt gewesen seien.
  • Er bedauere es zudem, dass es nicht gelungen sei, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine konstruktive Antwort auf dessen EU-Reformvorschläge zu geben.

Von Josef Kelnberger, Weißach

Für einige Momente brach sich am Freitag tatsächlich die Sonne Bahn über dem Tegernsee und beleuchtete eine Wintertraumlandschaft, fast zu kitschig, um wahr zu sein. Was wäre das für eine Kulisse gewesen für Friedrich Merz, der ganz in der Nähe ein Haus besitzt, als neuer CDU-Vorsitzender und gewiss nächster Bundeskanzler sein Sieben-Punkte-Programm für die Zukunft Deutschlands und Europas vorzulegen.

Merz forderte, während es draußen glänzte und funkelte, in einer Kongresshalle die Abschaffung des Solidaritätszuschlags ultimativ für Ende 2019, die Gründung eines deutsch-französischen Digitalkonzerns nach Vorbild von Airbus. Forderte Steuerentlastungen, Investitionsoffensive, Digitalisierungsoffensive und noch viel mehr. "Wir sind Zeitzeugen einer tektonischen Veränderung der globalen Macht- und Einflusszentren", sagte Merz. Deutschland und Europa, jede einzelne Bürgerin und jeder Bürger müssten sich bewähren in einem "Kulturkampf" um den Erhalt der freiheitlichen Gesellschaft.

So sprechen Staatsmänner. Allein, als wer oder was hält Friedrich Merz nun solche Ruckreden?

Auch einen Monat nach dem CDU-Parteitag gilt: Friedrich Merz hat die Stichwahl verloren gegen Annegret Kramp-Karrenbauer. 48 Prozent der Delegierten hätten sich für ihn entschieden, 52 Prozent eben nicht, sagt Merz in Weißach mit einem feinen Lächeln. Wie es tief in ihm drin aussieht, behält er für sich. Seine Rede war derart groß dimensioniert, dass sie die Theorie zu bestätigen schien, er halte sich bereit als Kanzlerkandidat, zumal für den Fall, dass die CDU bei den Wahlen 2019 abschmiert. Solche Fragen würden ihn nicht beschäftigen, erwidert er. Die Wahrheit ist: Friedrich Merz spricht vorläufig nur als Friedrich Merz.

Am Tegernsee bewegte Merz sich auf uneingeschränkt heimischem Terrain

Keinesfalls will er sich in die Parteistruktur einreihen. Er habe der neuen Vorsitzenden am Telefon angeboten, der CDU "als Person" mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, sagt Merz. In welchem Maße sie das Angebot wahrnehme, sei nun Sache von Kramp-Karrenbauer. Diese Feststellung ist ihm wichtig, nachdem bekannt geworden war, er habe eingewilligt, sein Wissen in einen Expertenkreis aus Wirtschaft und Wissenschaft einzubringen, außerdem die Partei bei Fragen der transatlantischen Beziehungen zu beraten. Als Friedrich Merz will er das tun, aber nicht als Gremienmensch. Er lasse sich keine Aufgabe zuweisen, sagt Merz. Diese Freiheit und Unabhängigkeit nimmt er sich so vehement, dass zunächst spekuliert wird, es gebe neuerlich Krach zwischen AKK und ihm. Eine CDU-Sprecherin beteuert in Berlin: "Der Beraterkreis der Parteivorsitzenden, dem er angehören soll, ist kein offizielles Gremium der Partei. Insofern gibt es auch keinen Dissens." Unterschiedliche Interpretationen aber gibt es doch. Am Tegernsee bewegte Merz sich auf uneingeschränkt heimischem Terrain. Der "Ludwig-Erhard-Gipfel", so der Titel der Veranstaltung, bei der er auftrat, wird veranstaltet vom Verleger Wolfram Weimer, vormals Chefredakteur von Welt und Focus. Der Finanzinvestor Blackrock, für den Merz beruflich tätig ist, zählt zu den "Partnern" des Gipfels, dessen Besucher sich von der CDU in großer Zahl eine Kurskorrektur wünschen, wie sie Merz am Tegernsee propagierte, eingerahmt von Bildern Ludwig Erhards.

Hart ging Friedrich Merz in seiner Rede die Politik Angela Merkels an, ohne die Kanzlerin namentlich zu erwähnen. Es sei ein schwerer Fehler gewesen, sagte er, innenpolitisch motivierte Entscheidungen zu treffen, die nicht mit der EU abgestimmt gewesen seien. Er nannte Energiewende und Flüchtlingspolitik. Dieses Vorgehen schade dem europäischen Zusammenhalt. "Und dann dürfen wir uns über das Bild des hässlichen Deutschen in vielen anderen Ländern Europas nicht wundern." Er bedauere es zudem, dass es nicht gelungen sei, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine konstruktive Antwort auf dessen EU-Reformvorschläge zu geben. In diesem Zusammenhang fiel sein Vorschlag eines Digital-Airbus.

"Wenn wir es ernst meinen mit der Industrienation Deutschland, der Zukunft in der Europäischen Union und wettbewerbsfähigen Unternehmen auf der Welt, dann müssen wir unsere Prioritäten neu setzen." Dafür steht Friedrich Merz in Person, nach wie vor. Mal sehen, wie viel Wert die CDU von Annegret Kramp-Karrenbauer auf seinen Rat legt.

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SZ vom 12.01.2019/dit
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