Kanzlerfrage in der Union:Merz hat seine Chance verspielt
Durch seinen Parteifreund Schäuble hätte der Mitbewerber um den CDU-Vorsitz die Möglichkeit gehabt, aus der Versenkung herauszutreten. Doch Merz redet lieber von Erfahrung, die er gar nicht hat.
Kommentar von Cerstin Gammelin
Und wieder hat es Friedrich Merz verpatzt. Da hatte sein Parteifreund Wolfgang Schäuble am Montag mit einem Aufsatz in der FAZ extra das Thema Europa für sich gekapert, das derzeit wegen der Ratspräsidentschaft viele Schlagzeilen verspricht. Der Bundestagspräsident hatte unmissverständlich daran erinnert, dass man schon viel weiter sein könnte, hätte man in der Krise 2010 auf ihn gehört. Wenn es also um Europa gehe, bitte nur über seinen Tisch.
Der listige Polit-Fuchs Schäuble hatte das Thema auch stibitzt, um seinen Freund Merz, der in den aktuellen Debatten um Corona, Wirtschaft und Europa kaum vorkommt, zurück ins Spiel zu bringen - das bislang von den Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur, Armin Laschet und Markus Söder, beherrscht wird. Merz griff beherzt zu und wiederholte seinerseits ein paar bekannte Forderungen.
Erstaunlich ist, wie zielsicher sich Merz dann wieder ins Abseits befördert hat, als er Söder widersprach, es sei falsch, dass nur der Kanzler werden könne, der sich in der Corona-Krise bewährt habe. "Nein, Kanzler kann werden, wer Krise kann und wer Erfahrung hat auch in der Politik." Beide Anforderungen erfüllt Merz nicht. Er warf 2002 als Unionsfraktionschef sein politisches Amt hin, schied 2009 aus dem Bundestag aus. Große Krisen hat er als Zuschauer erlebt.