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Merz zum Asylrecht:Ein Ausfallschritt mit hohem Spaltpotenzial

Der Vorschlag von Friedrich Merz zum Asylrecht bohrt gefährlich an der sensibelsten Stelle deutscher Flüchtlingspolitik. Das mag rechts Beifall bringen, spaltet aber die CDU und das Land.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Friedrich Merz, der Überraschungskandidat im Ringen um den CDU-Vorsitz, hat immer wieder erklärt, das Verhalten der CSU gegenüber Angela Merkel in den vergangenen Monaten sei unanständig und inakzeptabel gewesen. So gehe man unter bürgerlichen Politikern nicht miteinander um, erklärte Merz auf jeder der ersten drei Regionalkonferenzen. Und er erntete dafür in Lübeck, in Idar-Oberstein, im thüringischen Seebach viel Beifall. Merz als Verteidiger der noch amtierenden CDU-Vorsitzenden, Merz als Vertreter der eigenen Überzeugungen, Merz als Verfechter des Selbstbewusstseins der Christdemokraten - so haben die Menschen das wahrgenommen. Nun lernen sie den anderen Merz kennen.

Friedrich Merz geht nun sogar einen Schritt weiter als die CSU in ihrer schärfsten Anti-Merkel-Phase. Nicht einmal Horst Seehofer traute sich, den Artikel 16a des Grundgesetzes und das individuelle Asylrecht zur Debatte zu stellen. Bei allem Ärger über die Versäumnisse in der Flüchtlings- und Integrationspolitik - das wollten selbst die Bayern nicht tun. Was also hat Merz tatsächlich vor mit seiner Kandidatur? Dass er die AfD bekämpfen will, erklärt er landauf und landab vollmundig. Dass er es mit Forderungen tun würde, die zuallererst in der AfD auf Beifall stoßen dürften, hat er bislang verschwiegen.

Mit dem Vorstoß sät Merz weitere Zweifel daran, dass er gut mit Merkel arbeiten könnte

Merz weiß natürlich, welche historische Vorgeschichte die deutsche Besonderheit im Asylrecht hat. Sie trotzdem jetzt zu diskutieren, wirkt wie ein vorsätzlicher Tabubruch zum persönlichen Nutzen. Auch wenn er am Donnerstag zurückrudert und betont, dass er das Grundrecht nicht in Frage stelle - so hat er doch provoziert. So wird er Applaus bei denen erhalten, die den Flüchtlingen ohnehin mit Ablehnung begegnen. Aber er wird bei allen liberalen, weltoffenen, christlich-humanistisch motivierten Christdemokraten Erschrecken, wenn nicht Entsetzen auslösen.

Kandidaturen sind eine schwierige Sache, zumal dann, wenn man als Rückkehrer ins politische Geschehen eingreifen möchte. Und es ist im Falle eines Friedrich Merz möglicherweise noch komplizierter als bei anderen, weil er Gefahr läuft, auf ewig in den alten, vielleicht veralteten Schablonen stecken zu bleiben. Mit dem jetzigen Vorschlag aber liefert er keine positive Überraschung, sondern bestätigt all jene, die ihn seit jeher für einen Rechtskonservativen gehalten haben.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auf der Suche nach einem einheitlichen europäischen Asylrecht irgendwann auch die Frage der Angleichung auf dem Tisch liegen wird. Diese Debatte jetzt mit zwei, drei Sätzchen zu provozieren, trägt nicht zur Klärung bei und geht auch nicht als Nachdenklichkeit durch. Ort und Zeitpunkt zeugen eher davon, dass Merz mit einer Provokation auffallen wollte. Und das an einem Tag, an dem die Kanzlerin im Parlament ihre Überzeugungen in der Asylpolitik ungewohnt kämpferisch verteidigt hatte.

Gleich zu Beginn seiner Kandidatur erklärte Friedrich Merz, natürlich werde er im Falle eines Wahlsiegs auf dem Parteitag gut mit der Kanzlerin zusammenarbeiten. Am Mittwochabend hat Merz selbst daran Zweifel gesät. Und niemand kann sagen, ob er die noch einmal loswird.

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