Merkel vor der Generaldebatte zum Bundeshaushalt:Schöne Zahlen ohne Wert

Selten waren Zahlen vor einer Haushaltsdebatte so gut wie dieses Jahr - und die Stimmung so schlecht. Euro- und Finanzkrise überlagern alles, was nur ansatzweise nach einer guten Nachricht klingt. Und der Widerstand gegen Kanzlerin Merkel aus den eigenen Reihen tut sein Übriges.

Thorsten Denkler, Berlin

Jetzt bloß nicht so tun, als gäbe es da ein Problem. Das gibt es nicht. Und wenn es eines gäbe, er würde es aus der Welt schaffen. Das ist so in etwa die Jobbeschreibung von Peter Altmaier, dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Bundestag - Haushaltsberatungen

Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben Positives zu vermelden. Doch hören will es keiner.

(Foto: dpa)

Der findet: Die zwölf Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen in der Unions-Fraktion, die es am Montagabend bei der Probeabstimmung über die Erhöhung des Euro-Rettungsschirms EFSF gegeben hat, sind ganz normal. Hauptsache, am Ende finden sich genug Unterstützer, so dass Schwarz-Gelb die Schluss-Abstimmung über den EFSF ohne fremde Hilfe durchbringen kann.

Und doch kocht die Debatte hoch: Merkels Mehrheit wackelt, heißt es. Ausgiebig wird darüber spekuliert, ob über dem EFSF auch die Koalition zerbrechen könnte. Diese Diskussionen sind an sich schon ärgerlich genug für Union und FDP. Schädlich aber werden sie dadurch, dass die Kernaussagen zum Haushalt 2012, der in dieser Woche von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den Bundestag eingebracht wird, kaum noch eine Rolle spielen.

Da hätte Merkels Mannschaft einiges zu bieten: Etwa die weitaus niedriger als erwartete Neuverschuldung von 27,2 Milliarden Euro. Oder die Aussicht, dass die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse möglicherweise schon 2015 statt erst 2016 eingehalten werden können. Oder die niedrigen Arbeitslosenzahlen.

Es ist nicht mal so, dass der Opposition dazu allzu viel Kritisches einfiele. In der Aussprache zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministers am Dienstagmorgen hieß es zwar von Seiten der SPD und der Grünen, dies sei ein "Schönwetterhaushalt". Ein knallharter Vorwurf aber klingt anders. Zumal schon das Zugeständnis, dass das Wetter schön ist, mehr ist, als eine Regierung von der Opposition erwarten kann.

Überschattet von der Euro-Frage

Schwarz-Gelb hätte diese Woche also durchaus mit Positivmeldungen punkten können. Das wird sicher auch Kanzlerin Angela Merkel in der so genannten "Elefantenrunde" an diesem Mittwoch versuchen, in der es traditionell zum verbalen Schlagabtausch zwischen dem Regierungschef und den Fraktionschefs der Opposition kommt.

Stattdessen wird aber wohl wieder alles von der Euro-Frage überschattet werden. Bis zu zwei Handvoll Koalitionäre werden dem EFSF sehr wahrscheinlich nicht zustimmen, wenn es Ende September zum Schwur kommt. Einige aus Prinzip, wie der CDU-Mann Klaus-Peter Willsch oder Frank Schäffler vom "nationalen Wirtschaftsflügel der FDP", wie er und seine Mannen in der SPD genannt werden. Andere haben Bauchschmerzen wegen der Summen, um die es geht. Zu ihnen gehört etwa der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach, der sonst stramm auf der Merkel-Fan-Seite zu finden ist.

Am EFSF ist Deutschland mit 123 Milliarden Euro beteiligt, am Nachfolgesystem ESM mit 170 Milliarden Euro, davon 22 Milliarden als Bar-Einlage. Im Bundeshaushalt aber tauchen diese Summen und die damit verbundenen Risiken gar nicht auf. Noch ein Grund mehr, weshalb es der Regierung schwer fällt, den Bundeshaushalt 2012 als Erfolg zu verkaufen.

Was außerdem fehlt

Der Grundkonflikt sieht so aus: Die einen sagen, den Euro-Rettungsschirm nicht aufzuspannen und auch nicht - wie jetzt entschieden werden muss - zu vergrößern, schade Deutschland am Ende mehr, als er womöglich kostet. Die anderen sagen, jeder soll selbst für seine Misswirtschaft gerade stehen: Was gehen Deutschland die Schulden anderer an?

Letztere befinden sich in der absoluten Minderheit. Zusammen haben 14 von 330 Koalitionsabgeordneten in der Probeabstimmung mit Nein gestimmt, elf haben sich enthalten.

Wenn es so bliebe, würde das zwar nicht für die Kanzlermehrheit reichen, für die 311 Stimmen nötig sind. Doch die ist für die EFSF-Abstimmung gar nicht nötig. Was die Opposition nicht daran hindert, das Ende der Koalition heraufzubeschwören, falls Merkel die Kanzlermehrheit verfehlen sollte.

Dann wäre die Kanzlerin und mit ihr die ganze Koalition "politisch gescheitert", findet Altmaiers Amtskollege von der SPD, Thomas Oppermann. Das Bündnis halte nur noch, weil derzeit noch "die Nerven stärker sind als die Schmerzen". Sollte sich das umkehren, dann sei es aus. Die SPD jedenfalls bereite sich schon jetzt akribisch auf einen Regierungswechsel vor.

Oppermann weiß: Schon die Debatte darüber schadet der schwarz-gelben Koalition. In Umfragen werden CDU, CSU und FDP als die Parteien angesehen, in denen es den meisten innerparteilichen Streit gibt. Streit aber wollen die Leute nicht. Sie wählen Geschlossenheit. Das ist eine für Demokraten bittere, aber durch reiche Erfahrung belegte Erkenntnis.

Es fehlt Vertrauen

Was außerdem fehlt: Vertrauen. Merkel und ihrer Chaostruppe wird derzeit praktisch gar nichts mehr zugetraut. Der jüngste ARD-Deutschlandtrend spricht Bände: Der Aussage, die Regierung habe in der Krise den Überblick verloren, stimmen 66 Prozent der Befragten zu, 65 Prozent glauben, dass die Regierung die Krise bisher nicht richtig gemanagt hat und 74 Prozent meinen ohnehin, dass nicht die Politik, sondern Banken und Spekulanten die Zukunft des Euros in der Hand haben.

Da hilft es auch nichts, wenn Merkel gegenüber den Euro-Schuldenstaaten jetzt eine härtere Gangart einlegt. Vor der Fraktion erklärte sie, es sei "unabdingbar", dass es kurzfristig mehr "Durchgriffsrechte" für die EU geben müsse, um ein Land dazu zu bringen, seine Pflichten zu erfüllen. Diese für Merkel'sche Verhältnisse markigen Worte mögen die Abgeordneten der eigenen Fraktion beeindrucken. Dass damit Griechenland geholfen wäre, glaubt hingegen kaum noch einer. Das sei sein echter "Sonderfall" sagt CDU-Parlamentsgeschäftsführer Altmaier.

Die Frage, die jetzt eher zu stellen ist, lautet: Hält Griechenland durch, bis Ende September im Bundestag über den EFSF entschieden wird? Wenn nicht, dann könnte Finanzminister Schäubles schöner Haushalt schon Makulatur sein, bevor über ihn entschieden wird. Zur Glaubwürdigkeit der Bundesregierung würde das nicht beitragen.

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