Merkel und Sarkozy:Jetzt wieder als Paar

Am Montag noch knallte Kanzlerin Merkel dem französischen Präsidenten Sarkozy "aus Termingründen" die Tür vor der Nase zu - nun schreiben die beiden gemeinsam einen Brief an EU-Kommissionschef Barroso. Es scheint wieder alles in Butter zu sein.

Die Presselage in Paris ist eindeutig. "Der deutsch-französische Motor stottert", schreiben die Zeitungen und wissen von "Turbulenzen zwischen Merkel und Sarkozy". "Die Auseinandersetzungen häufen sich auf beiden Seiten seit einigen Monaten", schimpft der Kommentator des französischen Blatts Le Parisien.

12. deutsch-französischer Ministerrat - Merkel und Sarkozy

So schön könnt's immer sein: Merkel und Sarkozy bei einem Treffen im Februar. 

(Foto: dpa)

Den Anlass für die erbosten Kommentare à la française hatte Angela Merkel am Montag geliefert: Sie schlug dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy aus diplomatischer Sicht die Tür vor der Nase zu - aus "Termingründen" sagte die Kanzlerin kurzfristig ein Treffen ihm ab.

Es ist extrem selten, dass eine bilaterale Begegnung nur wenige Stunden vor Beginn abgesagt wird. Und auch, wenn Merkel mit der sich hinziehenden Sparklausur eine wichtige Ausrede hatte, sind die Franzosen verstimmt: "Europa ist in Schwierigkeiten, es leidet und es stellt sich auf chaotische Art und Weise der Krise", schreibt Le Monde: "Dabei wird nach Mitteln und Wegen gesucht, dieser die Stirn zu bieten. Frankreich schlägt berechtigterweise vor, ein Lenkungskomitee für die Haushaltspolitik in Erwägung zu ziehen. Das ist der richtige Weg. Aber die politisch geschwächte Angela Merkel war nicht bereit, darüber am Montagabend mit Nicolas Sarkozy zu diskutieren. Das ist schade. Ohne eine Einigung zwischen den beiden geht nichts."

Nun entzieht Angela Merkel allen Gerüchten über neue Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Sarkozy die Grundlage - das scheint zumindest ihr Plan zu sein: Am Morgen verbreitete die Bundesregierung einen gemeinsamen Brief von Merkel und Sarkozy an den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso.

Deutschland und Frankreich fordern darin von der EU-Kommission eine schnelle Regulierung jener Geldanlage-Formen, die der Top-Investor Warren Buffett einmal als "Massenvernichtungswaffen" bezeichnet - der hochspekulativen Derivate. Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf den Finanzmärkten müsse die Kommission ihre Arbeit weiter beschleunigen und intensivieren, heißt es in dem gemeinsamen Brief von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy.

So müsse die EU-Kommission dringend ihre Bemühungen um die Einführung strengerer Kontrollen der Märkte für Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Staatsanleihen und für Leerverkäufe beschleunigen - und Maßnahmen noch vor der Juli-Tagung des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister vorstellen.

Es sei unerlässlich, die Transparenz von Leerverkaufspositionen bei Aktien und Anleihen, vornehmlich bei Staatsanleihen, zu stärken, so die Deutsche und der Franzose, die sich als politisches Paar präsentieren.

Die Arbeit der EU-Kommission sollte sich auch auf die Möglichkeit eines EU-weiten Verbots ungedeckter Leerverkäufe aller oder bestimmter Aktien und Staatsanleihen sowie aller oder bestimmter ungedeckter CDS auf Staatsanleihen erstrecken, heißt es in ihrem Brief weiter. Dabei solle die Kommission auch die mit der Anwendung der Verbote verbundenen Bedingungen berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Akteure, die eine besondere Rolle für die Effizienz der Finanzmärkte spielten (market maker). Geprüft werden müsse auch eine EU-weite Harmonisierung der zulässigen Fristen für die Abrechnung und Lieferung von Wertpapieren.

Der Brief endet mit den Worten: "Wir sind zuversichtlich, dass wir (...) mit Ihrem uneingeschränkten Engagement rechnen können." Damit haben Merkel und Sarkozy vielleicht nicht nur Barroso, sondern auch ein bisschen sich selbst gemeint.

Zumindest wird die gemeinsame Anstrengung um Einigkeit durch das Dokument deutlich. Einen großen öffentlichen Streit mit ihrem Kollegen und Verbündeten kann Angela Merkel kaum brauchen.

Im Lauf des Vormittags reagierte die EU-Kommission schon auf das Schreiben: Sie will schon bald einen Vorschlag zu Leerverkäufen machen. "Wir werden konkrete Vorschläge im Sommer vorlegen", sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Man werde nicht sehr lange darauf warten müssen. Die Kommission begrüße den Brief von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die ein rasches Handeln bei der Regulierung fordern. Dies verstärke den von der Kommission ebenfalls verfolgten Schub, um die Regulierung der Finanzmärkte voranzutreiben.

Der Brief im Wortlaut

Im Folgenden der von der Bundesregierung am Mittwoch verbreitete Brief im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Präsident,

die Europäische Union bekennt sich uneingeschränkt zur Umsetzung der G-20-Beschlüsse. Bedeutende Maßnahmen sind bereits ergriffen worden, insbesondere hinsichtlich der Registrierung und Überwachung von Rating-Agenturen und der Regulierung der Banken. Wir sind zuversichtlich, dass die Diskussionen zwischen Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament rasch zu einer Richtlinie über alternative Investmentfonds führen werden und dass sich die Schaffung einer neuen europäischen Aufsichtsstruktur auf gutem Wege befindet.

Diese Diskussionen haben für uns Priorität, so wie es auch in Ihrem Arbeitsprogramm für die kommenden Monate der Fall ist. Die schweren Turbulenzen an den Finanzmärkten während der letzten Monate haben jedoch unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und allen unseren Mitbürgern große Besorgnis ausgelöst.

Während die internationale Gemeinschaft einmütig darauf hinwirkt, dass kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktprodukt, kein Finanzmarktteilnehmer und keine Jurisdiktion ohne Regulierung und Aufsicht bleiben kann, wirft die Rückkehr der ausgeprägten Marktvolatilität einige legitime Fragen auf, insbesondere bezüglich bestimmter Finanzpraktiken und der Nutzung bestimmter Derivatprodukte wie beispielsweise Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen (CDS).

Diese Anliegen waren Gegenstand des Schreibens, das der Präsident der Französischen Republik, die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und die Premierminister Luxemburgs und Griechenlands am 10. März an Sie gerichtet haben. Darin riefen sie zur raschen und energischen Umsetzung Ihres Arbeitsprogramms zur Regulierung der Derivatemärkte auf. Unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen auf den Märkten rufen wir die Kommission nun auf, diese Arbeit weiter zu beschleunigen und zu intensivieren.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf den Märkten glauben wir, dass die Europäische Kommission dringend ihre Bemühungen um die Einführung strengerer Kontrollen der Märkte für CDS auf Staatsanleihen und für Leerverkäufe beschleunigen und alle in diesem Bereich möglichen Maßnahmen noch vor der Juli-Tagung des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister vorstellen sollte. Insbesondere glauben wir, dass es unerlässlich ist, die Transparenz von Leerverkaufspositionen bei Aktien und Anleihen, vornehmlich bei Staatsanleihen, zu stärken.

Die Arbeit der Europäischen Kommission sollte sich auch auf die Möglichkeit eines EU-weiten Verbots ungedeckter Leerverkäufe aller oder bestimmter Aktien und Staatsanleihen sowie aller oder bestimmter ungedeckter CDS auf Staatsanleihen erstrecken. Dabei soll die Europäische Kommission auch die mit der Anwendung der Verbote verbundenen Bedingungen berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Akteure, die eine besondere Rolle für die Effizienz der Finanzmärkte spielen (market maker).

Die Europäische Kommission sollte ferner eine EU-weite Harmonisierung der zulässigen Fristen für die Abrechnung und Lieferung von Wertpapieren prüfen. Wir sind zuversichtlich, dass wir bei der Behandlung dieser Themen, die für den Erhalt der Finanzstabilität in der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung sind, mit Ihrem uneingeschränkten Engagement rechnen können."

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