Süddeutsche Zeitung

Merkel und Obama zur Ukraine-Krise:Ein bisschen Frieden

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Von Johannes Kuhn, San Francisco

Die Pressekonferenz ist schon fast vorbei, da muss Angela Merkel nochmal etwas klarstellen: "Es gibt keine Garantie für den Erfolg unserer Vermittlung", sagt die Kanzlerin, um dann einen ganz großen Bogen zu spannen: "Aber vor dem Mauerfall haben auch alle gesagt: Das werdet ihr nie erleben."

Sie redet dann noch von Ronald Reagan und dem verlorenen Glauben an die Wiedervereinigung im damaligen Westdeutschland, ihre Sätze wirken ungewöhnlich aufgeregt und zusammenhangslos. Doch wer genau hinhört, kommt zu zwei Schlüssen: Die Kanzlerin glaubt an eine Lösung im Ukraine-Konflikt. Doch sie rechnet damit, dass diese Lösung noch länger auf sich warten lassen wird.

Merkel ist eine Shuttle-Diplomatin dieser Tage: In anderen Zeiten wäre die Reise nach Washington ihr diplomatischer Höhepunkt der Woche gewesen, nun ist es nur die Overtüre für Mittwoch: Dann trifft sie in der weißrussischen Hauptstadt Minsk Russlands Präsident Wladimir Putin, dessen ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko und den französischen Präsidenten François Hollande. Es wird um den Waffenstillstand im Donbass gehen, eine Einigung wird schwierig - und selbst wenn es dazu kommt, ist die Frage, was sie in den Kampfgebieten wert sein wird.

Einigkeit ist eine schwierige Sache

Wenige Meter neben der Kanzlerin steht Barack Obama, ihm bleiben noch 710 Tage im Amt. Eine Lösung wäre schön, doch der US-Präsident hätte wahrscheinlich auch nichts dagegen, wenn der Konflikt in dieser Zeit einfach nur eingefroren würde.

Das letzte Viertel der Obama-Ära steht außenpolitisch im Zeichen der Entspannungspolitik gegenüber Kuba und Iran, sie sollen hier das Vermächtnis des 44. Präsidenten definieren. Die Washingtoner Protagonisten der Ukraine-Krise sitzen während der Pressekonferenz in der ersten Reihe: Außenminister John Kerry, Vizepräsident Joe Biden und Sicherheitsberaterin Susan Rice.

"Wir machen heute wieder deutlich: Wenn Russland seinen gegenwärtigen Kurs verfolgt, wird sich die Isolation nur verstärken - politisch und wirtschaftlich", sagt der Präsident. Die Kanzlerin stimmt ihm zu, es ist einer dieser Auftritte, unter dem am Ende die Schlagzeile "demonstrieren Einigkeit" stehen soll.

Dass es mit der Einigkeit nicht so einfach ist, zeigen die Debatten rund um das Treffen: Forderungen nach einer Bewaffnung der Ukraine wollen in den USA nicht verstummen, nicht nur Hardliner wie Senator John McCain oder der amerikanische Nato-General Philip Breedlove sprechen sich dafür aus, sondern auch der künftige Verteidigungsminister Ashton Carter.

Der Kompromiss lautet: Mehr Sanktionen

"Die Möglichkeit von tödlichen defensiven Waffen ist eine der Optionen, die wir untersuchen", sagt Obama dazu im besten Politiker- und Neusprech. Er habe dazu aber noch keine Entscheidung getroffen. "Wir setzen weiter auf eine diplomatische Lösung, obwohl wir schon viele Rückschläge erlitten haben", macht Merkel ihre Haltung klar.

Der Kompromiss bei einem Scheitern der Verhandlungen lautet zunächst: schärfere Sanktionen und die Hoffnung, dass diese Russlands Wirtschaft und damit Putin schwächen. Der US-Präsident, das wird deutlich, vertraut vorerst auf Merkels Vermittlungsversuche und ihren - zunehmend dünneren - Draht zum russischen Präsidenten. Dafür hat sie die Garantie, dass sich die USA vorerst nicht größer einmischen. Es ist nun, mehr als noch in den vergangenen zwölf Monaten, auch ihr Konflikt.

Doch was passiert, wenn die Friedensbemühungen weiterhin scheitern und der Druck auf Obama wächst, es nicht bei Sanktionen zu belassen? Dann wäre die Angelegenheit wieder sein Problem. Und welche Lösung kann die Kanzlerin der Welt anbieten, wenn ihre Gebetsmühlen-Diplomatie nicht funktioniert und der Konflikt stärker und stärker an Europa nagt?

"Ich würde mir große Vorwürfe machen"

"Wenn wir die territoriale Integrität aufgeben, können wir die Friedensordnung in Europa aufgeben. Russland hat sie doppelt verletzt", sagt die Kanzlerin in Washington. Doch zu Gesprächen, immer neuen Gesprächen sieht sie keine Alternative.

Und dann kommt ein Satz, der zwischen Rechtfertigung und Resignation schwankt: "Ich würde mir große Vorwürfe machen, wenn man es nicht versucht hätte."

Lesetipp: Nico Fried hat Angela Merkel nach Washington begleitet. Seine Reportage lesen Sie auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung . Morgen am Kiosk, schon heute auf dem Tablet oder im Web.

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